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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Kompensationslösungen

1. Grundprinzip Kompensationslösungen ermöglichen, daß Emittenten ihre Verpflichtungen zur Emissionsreduktion nicht nur durch eigene Maßnahmen, sondern auch durch Emissionsverringerungen außerhalb ihres Wirkungskreises erfüllen können. Sie werden derzeit vorrangig in der internationalen Umweltpolitik, so z. B. in der Klima- und S02-Politik diskutiert, wurden aber auch schon auf nationaler Ebene eingesetzt. In den USA erfolgte Kompensation im Rahmen des Clean Air Act bereits seit 1974 in zwei verschiedenen Varianten: innerhalb eines Unternehmens („netting“) und mit anderen Unternehmen („offsets“). Ein Versuch, das Prinzip 1986 in Deutschland einzuführen, scheiterte an den zu restriktiven Bedingungen für seine Anwendung. Internationale Kompensation besteht grundsätzlich aus zwei Elementen. Im Ausland erreichte Verringerungen müssen auf die inländischen Verringerungsziele völkerrechtlich angerechnet werden können. Inländische Emittenten werden bei Nachweis einer Verringerung im Ausland proportional zur erreichten Verringerung von emissionsbezogenen Steuern oder Auflagen entlastet oder erhalten eine zusätzliche Zuteilung von Emissionsrechten. Das zweite Element entfällt, wenn es sich um rein staatliche Investitionen handelt. Vorteile Durch Kompensation ist eine Effizienzerhöhung bei der Erreichung von Emissionsverpflichtungen möglich, indem die Unterschiede der Grenzvermeidungskosten zwischen verschiedenen Emittenten ausgenutzt werden. Im Bereich der internationalen Umweltpolitik kommt hinzu, daß kein globales Emissionsziel vorgegeben werden muß, um weltweit die kostengünstigsten Verringerungsmöglichkeiten zu nutzen. Der Effizienzgewinn kann allerdings durch Transaktionskosten und strategisches Verhalten reduziert werden. Das Kompensationsinstrument läßt sich flexibel handhaben und ermöglicht die Beteiligung von Unternehmen, Nicht-Regierungsorganisationen und Einzelpersonen. Die von der Industrie gefürchtete Wettbewerbsverzerrung bei einem nationalen steuer- oder ordnungspolitischen Alleingang wird gemildert, wenn emissionsintensive Industrien ihre steuerliche und ordnungsrechtliche Belastung durch Kompensationsprojekte reduzieren können. Der umweltpolitisch erforderliche Strukturwandel wird somit abgefedert. Hinzu kommt ein freiwilliger Ressourcen- und Technologietransfer in die Entwicklungs- und Transformationsländer, da dort die billigsten Verringerungsoptionen zu finden sind. Erfolgreiche Kompensationsprojekte tragen dazu bei, in den Empfängerländern Fehlinvestitionen in energie- und emissionsintensive Technologien zu vermeiden, die bei dem früher oder später notwendigen Übergang zu einer umweltverträglicheren Ökonomie vorzeitig entwertet würden. Hinzu kommt, daß die Emissionsverringerung bei Globalschadstoffen häufig mit einer Emissionsverringerung von Lokalschadstoffen einhergeht, also positive Externalitäten anfallen. Nachteile Kompensationslösungen eignen sich ohne Einschränkung nur für Globalschadstoffe. Bei Lokalschadstoffen kann es ansonsten zur Bildung von „--Hot spots“ kommen. Will man diese vermeiden, ist eine komplexe Modellierung erforderlich, die die Kompensation sehr schwerfällig macht und durch die erforderliche Regulierung die Transaktionskosten erhöht. Aus diesem Grund ist bislang die Kompensation bei S02-()Emissionen in Europa nicht eingesetzt worden, obwohl sie laut dem multilateralen Abkommen zur Verringerung der S02-Emissionen prinzipiell möglich wäre. Dasselbe Problem belastete die Kompensation in den USA, so daß es nur zu relativ wenigen Kompensationen kam - einigen tausend innerhalb von 15 Jahren, während im Rahmen des SO2Emissionsrechtshandels dieselbe Zahl in einem Jahr erreicht wird. Eine intensive Nutzung des Kompensationskonzepts kann zu einem Rückgang der Innovationsanreize in den Investorländern führen, da Innovation aufgrund der niedrigeren Vermeidungskosten an Attraktivität verliert. Daher ist die Kompensation so auszugestalten, daß -Innovationen attraktiv bleiben. Dies ist beispielsweise durch eine Verringerung des Anrechnungsprozentsatzes mit der Zeit möglich, wobei gleichzeitig die klimapolitischen Instrumente in den Investorländem verschärft werden. Durch gleichgerichtete Anreize für den Investor und den Anbieter der Verringerung besteht ein hoher Anreiz zum betrügerischen Ausweis einer überhöhten Emissionsverringerung durch das Kompensationsprojekt. Diesem muß durch hohe Verifikationsstandards entgegengewirkt werden. Allerdings erhöht dies die Transaktionskosten. Also ist eine Abwägung zwischen der Verläßlichkeit der Emissionsverringerungsdaten und den Kosten der Emissionsverringerung erforderlich. Im Gegensatz zum Emissionsrechtshandel auf Grundlage fester Emissionsziele ist bei Kompensationsprojekten - vor allem in Ländern ohne Emissionsziele - die Bestimmung eines Referenzszenarios erforderlich, das als Basis zur Berechnung der Emissionsverringerung dient. Ohne klare Regeln für die Festlegung der Referenzszenarien kann Kompensation zur Umgehung der Emissionsziele führen. Selbst bei Globalschadstoffen erfordert die Durchführung von Kompensation wesentlich höhere Transaktionskosten als der laufende Betrieb eines Emissionsrechtshandelssystems. Dies liegt daran, daß bei letzterem die Zertifizierung der Verringerung gegenüber dem Referenzszenario entfällt. Häufig wird unter den Nachteilen aufgeführt, daß Entwicklungsländer durch Kompensationsprojekte die „billigen“ Verringerungsoptionen aufbrauchen und bei einer zukünftigen Festlegung von Emissionszielen für ihre Länder die Zielerreichung nur mit höheren Kosten möglich ist. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß Kompensationsprojekte im Empfängerland die Kostenkurve für Emissionsverringerungen verschieben, da ohne Kompensation keine Verringerungsprojekte durchgeführt werden und kein Anreiz besteht, entsprechendes Know-How zu erwerben. Somit würde die zukünftige Zielerreichung vereinfacht. Es ist außerdem in der Regel nicht möglich, heute auf Kompensationsprojekte zu verzichten, um dieselbe Option später selbst zu nutzen. Dies ist bei technischen Projekten der Fall, wenn das Ziel erst nach Ablauf der ökonomischen Lebensdauer der Anlage festgelegt wird. Nur im Fall von Landnutzungsprojekten gilt dieses Argument nicht, da hier eine Speicherung von Treibhausgasen erfolgt, die nicht rückgängig gemacht werden darf. Man muß auch berücksichtigen, daß die durch Kornpensationsprojekte erreichte Verringerung das Empfängerland nichts gekostet hat. Daher ist die Ausgangsbasis besser, als wenn es die „billigen“ Verringerungen selbst finanzieren müßte. 4. Umsetzung der Kompensation in der internationalen Klimapolitik Im Vorfeld der Verhandlungen über die UNKlimarahmenkonvention brachte Norwegen 1991 die Kompensationsidee in die Diskussion. Sie fand in die Konvention insofern Eingang, als Artikel 4 (2a) die „gemeinsame Umsetzung“ von Zielen und Maßnahmen erlaubt. Dieser Begriff blieb als Anglizismus „Joint Implementation“ haften. Wie diese im Detail ablaufen solle, blieb jedoch offen. Bald kam es zu einer offenen Kontroverse zwischen einigen Industriestaaten, die das Konzept gerne zügig einsetzen wollten, und der Mehrheit der Entwicklungsländer, die es ablehnten. Letztere hatten nämlich gehofft, daß die Klimakonvention zu großen, ungebundenen Finanztransfers in den Süden führen würden und sahen sich enttäuscht, da ihnen seitens der Industrieländer lediglich 2 Mrd. $ zur Verfügung gestellt worden waren, die zudem noch von der Weltbank verwaltet wurden. Joint Implementation wurde als neokolonialistischer Eingriff in die nationale Souveränität gesehen und somit zum Zankapfel zwischen Nord und Süd. Hinzu kam Druck seitens der großen Umweltorganisationen, die das Konzept als „Ablaßhandel“ verdammten. Sie befürchteten vor allem, daß die Joint Implementation in den Entwicklungsländern hauptsächlich zu Baumplantagen führen würde, da diese sehr kostengünstig Emissionen speichern würden. Trotz dieser Situation begannen die USA, Norwegen und die Niederlande, nationale Koordinationsstellen für Joint Implementation aufzubauen und Pilotprojekte zu entwerfen. Dafür boten sich die Transformationsländer an, die von Anfang an der Idee positiv gegenübergestanden hatten, da sie im Gegensatz zu den Entwicklungsländern nicht auf andere Transfers hoffen konnten. 1994 wurden die ersten Projekte in Tschechien und Polen vorbereitet. Noch kurz vor der ersten Konferenz der Vertragsstaaten der Klimakonvention 1995 in Berlin stand die Ablehnungsfront der Entwicklungsländer scheinbar unerschütterlich. Allerdings gärte es unter der Oberfläche. Costa Rica, das schon häufig Vorreiter hinsichtlich innovativer umweltpolitischer Instrumente wie den Debt-for-NatureSwaps gewesen war, witterte die Chance, neue Finanzmittel aus den Industrieländern anzuziehen. Im Herbst 1994 schloß es mit den USA einen Rahmenvertrag über Joint Implementation ab und gründete ein Koordinationsbüro. Schnell wurden die ersten Projektvorschläge entwickelt. Neben dem Forstsektor waren erneuerbare Energien gefragt. Das Beispiel Costa Ricas stieß bei einer Reihe lateinamerikanischer Länder auf Interesse, so daß bei der Berliner Vertragsstaatenkonferenz die Ablehnungsfront zusammenbrach. Es kam zu einem Kompromiß, der unter dem neuen Namen „Activities Implemented Jointly“ (AIJ) eine Erprobungsphase für Joint Implementation festlegte, die bis Ende 1999 laufen solle. Während dieser Zeit dürfen die Emissionsverringerungen nicht auf die Ziele der Industrieländer angerechnet werden. Wer damit gerechnet hatte, daß nun ein Ansturm auf Emissionsverringerungsprojekte in Entwicklungs- und Transformationsländern einsetzen würde, sah sich getäuscht. Die Erprobungsphase gestaltete sich sehr zähflüssig. Es wurden zwar viele Projekte vorgeschlagen, aber nur wenige tatsächlich realisiert. Dabei handelt es sich um Schätzungen - es gibt keine verläßlichen Zahlen. Meist handelt es sich um kleinere Projekte in den Transformationsländern. Die bisher erreichte Emissionsverringerung liegt wesentlich niedriger. Folgende Gründe waren dafür ausschlaggebend: Kaum ein Industrieland setzte heimische Anreize für Unternehmen, in AIJ zu investieren. Damit beschränkte sich das kommerzielle Interesse auf solche Projekte, die entweder sehr medienwirksam waren, eine Marktöffnungsfunktion hatten oder ohnehin Gewinn brachten; Die Transaktionskosten waren aufgrund der Neuheit des Konzepts zunächst sehr hoch; Viele Länder waren nicht bereit, Projekte zuzulassen. Da sich beim Fortgang der Verhandlungen der Widerstand wichtiger Entwicklungsländer wie China und Indien eher wieder verschärfte, wurde allgemein damit gerechnet, daß eine Anrechnung nach Ende der Erprobungsphase, wenn überhaupt, nur bei Joint Implementation zwischen Ländern möglich wäre, die beide ein Ziel haben. Somit konzentrierte sich das Interesse für ernsthafte Projekte auf die Transformationsländer. Im Dezember 1997 wurde auf der Dritten Vertragsstaatenkonferenz in Kyoto ein Protokoll verabschiedet, das als Durchbruch in der Klimapolitik bezeichnet werden kann. Wenn auch sein Inkrafttreten längst nicht gesichert ist, da sich in einer Reihe von Ländern heftiger innenpolitischer Widerstand abzeichnet, legt es erstmals bindende Emissionsziele für die Industrieländer zum Zeitraum 2008-2012 fest. Gleichzeitig wurde überraschenderweise eine Reihe von Flexibilisierungsinstrumenten zugelassen. Joint Implementation ist sowohl mit Entwicklungs- als auch Transformationsländern möglich, wobei es in ersterem Fall wieder einmal den Namen gewechselt hat und nun als „Clean Development Mechanism“ (CDM) bezeichnet wird. Anrechnung aus CDM-Projekten soll schon ab 2000 möglich sein, aus Joint Implementation mit Transformationsländern erst ab Beginn der Zielperiode 2008. Angerechnete Emissionsverringerungen aus Joint Implementation werden vom Emissionsbudget des Gastlandes abgezogen, verschärfen also das Emissionsziel. Allerdings werden CDM-Projekte mit einer noch nicht quantifizierten Abgabe belegt, aus der Anpassungsmaßnahmen und die Verwaltungskosten des CDM gedeckt werden sollen. Unklar ist, ob Speicherungsprojekte (z. B. Aufforstung) zulässig sind, oder nur Emissionsverringerungsprojekte zugelassen werden. Bezüglich ersterer muß ein Expertengutachten des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaveränderung abgewartet werden, das frühestens 2000 vorliegt, da es unterschiedliche Auffassungen über die Speicherungskapazitäten von Wäldern gibt. Außerdem ist auch unmittelbarer Emissionsrechtshandel möglich, dessen Ausgestaltung jedoch noch völlig offen ist. Offen bleibt auch, ob nur ein Teil der Ziele durch die Flexibilisierungsinstrumente erreicht werden darf. Diese Fragen wurden im November 1998 auf der 4. Vertragsstaatenkonferenz in Buenos Aires erörtert, aber noch nicht abschließend geklärt. Dies soll erst 2000 auf der 6. Vertragstaatenkonferenz erfolgen. Nachdem sich der erste Staub gelegt hatte, lebte das Interesse am CDM und Joint Implementation stark auf, wie die rasche Zunahme der bewilligten und umgesetzten Projekte zeigt. Eine Reihe von Unternehmen aus Industrieländern stellt sich jetzt ernsthaft auf klimapolitische Maßnahmen im Inland ein und betreibt erste Absicherungsmaßnahmen. Auch der Anteil finanzierter Projekte nimmt jetzt deutlich zu. Deutlich wird, daß der Anteil von Speicherungsprojekten rückläufig ist. 5. Offene Fragen 5.1. Bestimmung des Referenzszenarios Auf den ersten Blick erscheint die Kalkulation der Emissionsverringerung bei einem Kompensationsprojekt einfach. Man mißt die Emission der neuen Anlage und zieht diejenige der alten Anlage ab, die sonst weitergelaufen wäre. Letzteres ist das sogenannte Referenzszenario. Leider gibt es aber eine Reihe von Fällen, in denen die Berechnung dieses Szenarios unklar ist. Nehmen wir beispielsweise den Fall eines Windparks. Dieser erzeugt (abgesehen von den mit den Baumaterialien verbundenen Emissionen) emissionsfreien Strom. Jetzt stellt sich aber die Frage, welches Kraftwerk durch den Windpark verdrängt wird. Handelt es sich um ein Kohlekraftwerk, ist die Emissionsverringerung hoch, während sie bei einem Kernkraftwerk Null wäre. Wenn man den Durchschnitt des gesamten Stromerzeugungssektors wählt, erhält man einen mittleren Wert. Das Beispiel zeigt, daß die Erstellung von Referenzszenarien stark von den Annahmen abhängt. Prinzipiell könnte man länder-, sektor- und projektspezifische Szenarien errechnen. Erstere basieren auf makroökonomischen oder Energiemodellen und sind sehr aufwendig, da sie einen enormen Datenbedarf haben. Laufen sie dann aber einmal, sind die Kosten ihrer Anwendung für jedes einzelne Projekt gering. Außerdem erfassen sie indirekte Effekte wie die Verringerung der Preise fossiler Brennstoffe bei einem Ausbau erneuerbarer Energien. Projektspezifische Szenarien vernachlässigen die indirekten Effekte, sind aber einfacher zu erstellen, da keine Modellierung erforderlich ist. Sie sind daher für Entwicklungsländer geeigneter als die länderspezifischen Szenarien. Ein Kompromiß wäre ein sektorspezifisches Szenario, wobei die Abgrenzung der Sektoren manchmal schwierig ist. Für die Praxis könnte sich der Matrix-Ansatz, der bestimmte sektorale und regionale Parameter definiert, langfristig am sinnvollsten erweisen. Realistische Referenzszenarien sind vor allem dann wichtig, wenn das Land, in dem das Kompensationsprojekt stattfindet, kein Emissionsziel hat, wie dies beim CDM der Fall ist. Ein zu laxes Referenzszenario würde in diesem Fall zu einer Übertreibung der Emissionsverringerung und dadurch zu einer entsprechenden Aufweichung des Emissionsziels des Investorlandes führen. Das Problem stellt sich nicht, wenn beide beteiligten Länder ein Ziel haben, wo die Emissionsverringerung des Kompensationsprojekts vom Emissionsbudget des Gastlandes abgezogen wird. Das Gastland hat dann kein Interesse an einer fiktiven Emissionsverringerung, da diese zu einer Verschärfung seines Zieles führen würde. Bislang hat man sich noch nicht auf einheitliche Regeln für Referenzszenarien einigen können. Die Berechnung der Emissionsverringerung aus den Pilotprojekten erfolgt nach den unterschiedlichsten Methoden. Ohne eine politische Entscheidung über das Regelwerk ist nicht mit einer Umsetzung von Kompensationsprojekten in großem Maßstab zu rechnen. 5.2. Berücksichtigung gewinnbringender Projekte? Die in Berlin getroffene Entscheidung sieht vor, daß nur Projekte als AIJ anerkannt werden, deren Finanzierung aus „zusätzlichen“ Mitteln erfolgt. Dies soll der Befürchtung entgegenwirken, daß Entwicklungshilfemittel zur Finanzierung von AIJ umgewidmet werden. Entscheidend für die Beteiligung privater Unternehmen ist die Frage, ob Projekte in das Referenzszenario aufgenommen werden müssen, die gesamtwirtschaftlich gewinnbringend sind. Solange diese Projekte aufgrund ordnungspolitischer Hemmnisse, fehlender Information und knappen Humankapitalressourcen nicht autonom durchgeführt werden, besteht keine Veranlassung sie im Referenzszenario aufzuführen und somit von CDM oder Joint Implementation auszuschließen. Häufig ergibt sich bei diesen Projekten das Problem, daß sich der Investor den Gewinn nicht aneignen kann, da dieser bei anderen Wirtschaftssubjekten anfällt. Es wäre also höchstens gerechtfertigt, Projekte auszuschließen, bei denen der Investor Gewinn macht. Wenn jedoch ein solcher Ausschluss vorgenommen würde, gäbe es einen Anreiz, die Kosten zu hoch anzusetzen, um positive Kosten ausweisen zu können. Bürokraten und Unternehmen in den Empfängerländern würden dann versuchen, gewinnbringende Projekte entsprechend umzudefinieren und eventuell aufzuschieben, bis sie als Kornpensationsprojekt extern finanziert werden. Insofern ist ein Ausschluss gewinnbringender Projekte nicht sinnvoll. 5.3. Institutionelle Ausgestaltung Die institutionelle Ausgestaltung internationaler Kompensation kann höchst unterschiedlich sein. Das eine Extrem ist eine rein bilaterale Abwicklung, bei der Regierungen Rahmenverträge schließen, auf deren Basis Investoren und Projektanbieter unabhängig agieren. Das andere Extrem ist ein internationaler Fonds. Staaten oder private Investoren, die Kompensation wünschen, nehmen Einzahlungen vor, während andere Länder Kompensationsprojekte anbieten und somit in einen Wettbewerb um die Fondsmittel eintreten. Die Projekte werden nach ihrer Effizienz bei der Emissionsverringerung ausgewählt. Jeder Investor erhält während der Projektlaufzeit gemäß seinem Anteil an dem Projektport-folio bzw. an einzelnen Projekten eine Emissionsgutschrift. Denkbar wäre auch ein internationales Clearinghouse, das ein Monopol auf die Projektvermittlung hat. Über diese Ansätze hinaus könnte eine zentrale „Projektbörse“ alle Interessenten schnell und umfassend über sämtliche Angebote für Kompensationsprojekte und entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten informieren. Diese internationale Datenbank sollte gebührenfrei zugänglich sein und könnte vom Unterausschuß für Umsetzungsfragen der Klimarahmenkonvention betreut werden. Zur Reduzierung institutioneller Ineffizienzen sollte es zu einem Wettbewerb zwischen der Kompensation über individuelle Projekte auf bilateraler Ebene und der multilateralen Organisation der Kompensation über einen internationalen Fonds kommen. Auch für die Verifikation, deren Rolle aufgrund des Betrugspotentials sehr wichtig ist, gibt es unterschiedliche Modelle. Einerseits könnten die Projektpartner verpflichtet werden, unabhängige Dritte zur Evaluation heranzuziehen. Letztere müßten sich bei einer internationalen Aufsichtsinstanz akkreditieren und unterlägen Stichprobenkontrollen. Andererseits könnte die Verifikation ausschließlich durch eine internationale Instanz erfolgen. Bei jeder Monopolsituation ist mit einer Erhöhung der Transaktionskosten zu rechnen. Am sinnvollsten wäre ein Wettbewerb unterschiedlicher Institutionen, wobei eine internationale Instanz die Einhaltung von Mindeststandards im Verifikationsbereich überwachen muß. Außerdem ist die Herstellung von Transparenz wichtig. Bei der Erprobungsphase der AIJ hat sich gezeigt, daß der Aufbau von Know-How bei öffentlichen Stellen und Unternehmen in den Gastländern eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für die erfolgreiche Umsetzung von Kompensationsprojekten ist. Hier wäre der Transfer von Erfahrungen aus der Entwicklungszusammenarbeit hilfreich. 6. Formen von Kompensationsprojekten Die Bandbreite sinnvoller Projekte, die zu einer anrechenbaren Verringerung von Treibhausgasemissionen führen können, ist sehr groß. Sie wird im folgenden skizziert. Speicherungsmaßnahmen im Forstsektor, die derzeit mit 3 und 8 US-$/ (t CO2) eindeutig am kostengünstigsten sind, werden nicht diskutiert, da sie höchstens mittelfristig und vielleicht nur in Transformationsländern zum Einsatz kommen können. Effizienzsteigerung bei der Energieerzeugung auf Basis fossiler Brennstoffe: Darunter fallen Maßnahmen wie die Steigerung des Wirkungsgrads von Kraftwerken und Dampferzeugern. Während beispielsweise der durchschnittliche Wirkungsgrad deutscher Wärmekraftwerke bei ca. 35% liegt, beträgt er in China nur ca. 20%. Durch den Ersatz alter Kraftwerke durch die modernste einsatzreife Kraftwerkstechnologie mit einem Wirkungsgrad von ca. 42% (Braunkohlekraftwerk) bis 55% (Gas-Kombikraftwerk) läßt sich also eine Emissionsreduktion von über 50% erzielen. Bei Kraft-WärmeKoppelung läßt sich der Wirkungsgrad auf über 80% steigern. Aufgrund der starken Ausweitung der Energieerzeugung ist in vielen Entwicklungsländern aufgrund von Kapital-und Kapazitätsengpässen ein autonom vorgenommener Ersatz alter ineffizienter Kraftwerke auszuschließen. Dieser könnte nur mittels Entwicklungshilfe oder CDM in Gang gesetzt werden. Auch bei ausschließlicher Betrachtung des Zubaus ergeben sich große Potentiale. Wenn man in China neue Kohlekraftwerke statt durch Eigenbau auf Basis westeuropäischen Standards erstellen würde, könnte der Wirkungsgrad der Neubauten um 4% gesteigert werden. Der mittlere Wirkungsgrad würde dann 2010 ca. 2% höher liegen als beim ausschließlichen Einsatz chinesischer Neubauten; die gesamten CO2-Emissionen lägen 5% niedriger. Durch Know-How-Transfer kann sichergestellt werden, daß der technische Wirkungsgrad einer Anlage bei der Nutzung auch tatsächlich erreicht wird. Gleichermaßen kann die Emission bei der Produktion und dem Transport fossiler Brennstoffe verringert werden. Da z. B. bei Erdgasförderung und - transport in den GUS-Staaten vermeidbare Verluste von 2-4,5% auftreten, bietet sich hier ein großes Potential für Joint-ImplementationProjekte. Allerdings zeigen die ersten Erfahrungen mit derartigen Projekten in Rußland, daß ein Erfolg nur bei Änderung der politischen Rahmenbedingungen möglich ist. Solange z. B. die Gasgesellschaften ihr eingespartes Gas nicht verkaufen können, sind die Projekte für sie nicht attraktiv. Umstellung der Energieerzeugung auf Energieträger, die weniger bzw. keine Treibhausgase emittieren, wie z. B. die Umstellung von Kohle auf Gas oder auf Kernenergie. Regenerative Energieträger wie Sonne, Wind, Wasser und Biomasse bieten langfristig ein sehr großes Potential zur Treibhausgasverringerung. Wie der Ausbau der Windenergie in Indien, wo Ende 1997 ca. 1000 MW installiert waren, kann dieses Potential zügig genutzt werden, wenn ein brauchbarer ordnungspolitischer Rahmen existiert. Interessante Projekte, die als Vorbild für CDM-Projekte dienen können, sind der Bau eines Erdwärmekraftwerks auf den Philippinen und eines mit Zuckerrohrabfällen gefeuerten Kraftwerks auf Mauritius sowie die Errichtung eines Windkraftwerks an einem ausgezeichneten Standort in Costa Rica. Verringerung des Energieverbrauchs durch effizientere Produktionsprozesse. Die Verbesserung der Energieeffizienz hat aufgrund von Prozeßinnovationen bei der Produktion neuer Produkte eine Eigendynamik. Sie läßt sich darüber hinaus durch Anreize weiter beschleunigen. Vor allem in der Zementindustrie ergeben sich große Einsparpotentiale, da diese in vielen Entwicklungsländern den höchsten Anteil an den energiebedingten CO2-Emissionen aufweist. Umstellung im Agrarbereich. Beispielsweise kann durch geeignete Fütterung der bei intensiver Tierproduktion besonders hohe Methanausstoß von Rindern drastisch verringert werden. Die Methanproduktion des Naßreisanbaus hängt stark von der Art der Bewässerung ab. Auch die Produktion von N20 ist hauptsächlich vom Düngereinsatz in der Landwirtschaft abhängig. Gerade im Agrarbereich, in dem es durch Abschottung nationaler Märkte zu hohen Ineffizienzen kommt, sind große Unterschiede der Kosten und daher hohe Potentiale für Joint Implementation zu erwarten. In der AIJErprobungsphase verteilen sich die Projekte bisher folgendermaßen auf die unterschiedlichen Kategorien. Weiterführende Literatur: Chatterjee, K.: Activities Implemented Jointly to mitigate climate change, Development Alternatives, New Delhi 1997; Michaelowa, A.: Joint Implementation. The baseline issue, in: Global Environmental Change, 8, 1, 1998; Michaelowa, A.: Internationale Kompensationsmöglichkeiten zur CO2-Reduktion, Baden-Baden 1997; United Nations Framework Convention on Climate Change: Activities Implemented Jointly under the pilot phase. Second synthesis report on Activities Implemented Jointly, FCCC/CP/1998/2, Bonn 1998.



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