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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Umweltpsychologie

In diesem Beitrag soll gezeigt werden, daß –Umwelt aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden kann - u. a. auch aus einem psychologischen, der das Erleben und Verhalten des Menschen ins Zentrum stellt. Umweltpsychologie untersucht entsprechend, wie die Umwelt menschliches Erleben und Verhalten beeinflussen kann und wie andererseits Menschen durch ihr Verhalten die Umwelt verändern. Das Fach stellt darüber hinaus Wissen dafür bereit, das Verhalten der Menschen ihrer Umwelt gegenüber gezielt zu verändern. 1. Umwelt - ein vielschichtiges Konzept Umwelt ist - folgen wir dem aktuellen Sprachgebrauch - ein breites Konzept: Es umfaßt sowohl die natürlichen als auch die von den Menschen geschaffenen Bedingungen, innerhalb derer sich Leben vollzieht, als auch die Repräsentanz dieser Bedingungen im menschlichen Bewußtsein. Allein dies zeigt schon die Vielschichtigkeit des Begriffs, der sich für eine interdisziplinäre Herangehensweise besonders eignet. So ist es naheliegend, daß man sich mit der Umwelt aus der Sicht vieler Einzelwissenschaften auseinandersetzt, etwa aus der Physik, der Chemie, der Biologie, der Geologie, aber auch aus der Geschichte, der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, der Philosophie, der Ethik, der Soziologie und auch der Psychologie. Die verschiedenen Aspekte ergänzen einander. Die Beschränkung auf nur eine Sichtweise würde notwendigerweise sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis zur Vereinseitigung und zu konkreten Fehlern führen. 2. Die Perspektive der Psychologie Die Psychologie, die es als Erfahrungswissenschaft an den Universitäten seit 1879 gibt, sucht mit empirischen Forschungsmethoden - insbesondere mit systematischer Beobachtung und Befragung - menschliches Erleben und Verhalten zu beschreiben, zu erklären, zu prognostizieren und Wege zu deren Beeinflussung aufzuzeigen. Betreibt man Psychologie als Grundlagenwissenschaft, dann geht es dabei um allgemeine Gesetzmäßigkeiten z. B. der Wahrnehmung, des Lernens und Denkens, der Motivation oder der Emotion. Diese werden von einem konkreten Kontext abstrahiert. Anwendungsorientierte psychologische Forschung dagegen thematisiert nun explizit die Bedingungen, in denen sich menschliches Erleben und Verhalten konkret vollziehen. Dieser Kontext kann z. B. der Markt (Marktpsychologie), der Industriebetrieb (Arbeitsund Organisationspsychologie), das Rechtssystem (forensische Psychologie), oder die Schule bzw. das Elternhaus (pädagogische Psychologie) sein. In all diesen Fällen werden Forschung und Theoriebildung komplexer, weil der Mensch zusammen mit dem ihn umgebenden Kontext in seinen vielfältigen Interaktionen analysiert werden muß. Dies gilt auch für die Umweltpsychologie, die sich erst in jüngster Zeit unter dem Eindruck der in der Gesellschaft vehement geführten Diskussion um Ökologie und -Umweltschutz gebildet hat. Um nun die spezifisch psychologische Perspektive bei der Auseinandersetzung mit natürlichen oder von Menschen geschaffenen Situationen und Gegenständen zu verstehen, ist es ratsam, sich mit den verschiedenen Ebenen von Wirklichkeit auseinander zu setzen. Gerade naturwissenschaftlich geprägte Menschen neigen dazu, nur das, was sich z. B. an physikalischen, chemischen oder ähnlichen Indikatoren messen läßt, als Wirklichkeit anzuerkennen. Falls das, was Menschen davon wahrnehmen oder vorstellen, von dieser physikalisch-chemischen Wirklichkeit abweicht, wird es häufig als Irrtum oder Täuschung - jedenfalls als nicht wirklich - bezeichnet. Die Psychologie dagegen sieht in dieser phänomenalen Welt, also in jener, die einerseits das durch die Sinnesorgane Wahrgenommene und andererseits das Erinnerte, Vorgestellte und Phantasierte umfaßt, eine von der naturwissenschaftlichen Wirklichkeit nicht gänzlich unabhängige, aber doch eigenen Gesetzen gehorchende Wirklichkeit, die ebenso ernst zu nehmen ist wie die physikalisch-chemische Wirklichkeit. Ist man sich dieser Unterscheidung in zwei Wirklichkeitsebenen aber nicht bewußt, kann dies z. B. bei Umweltdebatten zu erheblichen Missverständnissen führen: Der Psychologe verweist aufgrund seiner Untersuchungen darauf, daß viele der in der Nähe eines Atomkraftwerkes lebenden Personen - insbesondere Frauen mit kleinen Kindern - Angst vor schädlichen Strahlungen haben. Der Kernphysiker legt Meßdaten vor, nach denen die Strahlungen weit unter der kritischen Grenze lägen. Er ist daher der Meinung, daß die Angst der Bevölkerung unberechtigt sei und nicht ernst genommen werden müsse. Der Psychologe wiederum entgegnet, daß diese Angst dennoch eine „Wirklichkeit, die wirkt“ sei, das Erleben der Betroffenen bestimme, psychosomatische Krankheiten nach sich ziehen und auch das Verhalten der Menschen wesentlich beeinflussen könne. Selbstverständlich wird man sich, setzt man sich mit Fragen der Umweltanalyse oder - gestaltung auseinander, nicht allein auf die psychologische Sichtweise beschränken dürfen. Auf der anderen Seite wird die Beschränkung auf eine rein naturwissenschaftliche Sicht die Politiker, Gesetzgeber, Manager, Pädagogen oder Gartenarchitekten etc. bei ihren umweltbezogenen Aktivitäten zu kurz greifen lassen. Bei einem ganzheitlichen Ansatz kommt es darauf an, die beiden Aspekte zu integrieren. 3. Ansätze einer Psychologie der Umwelt Leben insgesamt - und damit auch menschliches Leben - ist nur in einer entsprechenden Umwelt möglich. Dabei wird gelegentlich das Insgesamt der naturwissenschaftlichen Rahmenbedingungen als ’Umgebung’ und die im Erleben repräsentierte Umgebung als ’Umwelt’ bezeichnet. Freilich können auch nicht erlebte Bestandteile der Umgebung - z. B. Radioaktivität - indirekt menschliches Erleben und Verhalten beeinflussen. Umgebungsbedingungen können also durchaus in depressive oder heitere Stimmung versetzen, aktives Verhalten begünstigen oder krank machen, obwohl unsere Wahrnehmungsorgane sie nicht registrieren können und sie uns deshalb auch nicht bewußt werden. Auf der anderen Seite - man denke an die zuvor genannte Angst vor den Strahlen des Atomkraftwerkes - können Phänomene in unser Bewußtsein gelangen, für die (noch) eine nachweisbare objektive Reizgrundlage fehlt. Verstehen wir den Begriff ’Umwelt’ weit - unter Verzicht auf die soeben angesprochene Differenzierung in ’Umwelt’ und ’Umgebung’ - so ist es offensichtlich, daß einerseits die Umwelt menschliches Erleben und Verhalten erheblich beeinflussen kann und andererseits das menschliche Handeln die Umwelt nachhaltig verändert. Die Beeinflussung menschlichen Erlebens und Verhaltens durch die Umwelt besteht selbstverständlich darin, daß wir wesentliche Ausschnitte der uns umgebenden Welt wahrnehmen und uns lernend an diese anpassen. Dies allerdings wird nicht als Umweltpsychologie bezeichnet. Dagegen spricht man durchaus von Umwelt- oder ökologischer Psychologie, wenn ein Einzelner durch das Hinabschreiten einer breiten Treppe in eine würdevolle Stimmung versetzt wird, wenn das Leben im Flachland oder gar mit Blick auf das Meer zu einer anderen Mentalität führt als das Wohnen in einem beengten Gebirgstal, oder wenn ein mildes, trockenes Wetter andere Kommunikationsformen zwischen den Menschen begünstigt als das kalte Klima polarer Zonen. Breites Interesse fand allerdings die Umweltpsychologie innerhalb der Psychologie als Fach und außerhalb ihrer Grenzen erst, als die Frage aufgeworfen wurde, wie der Mensch die Umwelt beeinflusst, wie er zur Zerstörung seiner natürlichen Lebensbedingungen beiträgt und was man tun kann, um ihm die schädlichen Konsequenzen seines Handelns bewußt zu machen und sein umweltschädliches Verhalten zu modifizieren. In der psychologischen Grundlagenforschung oder in anderen angewandt-psychologischen Teilgebieten entwickelte Interventionsmaßnahmen wurden erprobt und dann routinemäßig genutzt, um das Umweltbewußtsein breiter Teile der Bevölkerung zu schärfen und die Entwicklung umweltgerechten Handelns bei ihnen zu fördern. All dies gilt sowohl für die Menschen in ihrer privaten Lebensführung, etwa beim Einkaufen oder bei der Haushaltsführung, bei der Wahl der Verkehrsmittel, bei der Entscheidung für Ort und Form des Urlaubs, als auch für ihr berufliches Handeln als Selbständige oder im Betrieb. Im Folgenden wollen wir im Sinne einer exemplarischen Darstellung vor allem solche Felder darstellen, die eine beachtliche Betriebs- oder volkswirtschaftliche Relevanz haben. Dies gilt z. B. für den Kauf von umweltverträglichen Produkten, für die Müllvermeidung im privaten Haushalt, für das Sparen von Energie zu Hause und im Betrieb oder für die Beachtung umweltbezogener Kriterien bei der Entwicklung, Erprobung, Fertigung und beim Gebrauch und späteren Entsorgung industrieller Produkte. 4. Klassifikation umweltpsychologischen Vorgehens Verzichtet man im Nachfolgenden auf die vertiefte Diskussion der Frage, wie die Umwelt auf die Menschen wirkt, und beschränkt man sich auf umweltbezogenes menschliches Erleben und Verhalten mit ökonomischer Relevanz, so läßt sich eine Beispielsammlung so kategorisieren, wie es verdeutlicht. Da sind zunächst verschiedene, ökonomisch relevante Handlungsfelder, die hier selbstverständlich exemplarisch zu verstehen sind und ergänzt werden können. Es ist allerdings offensichtlich, daß gerade innerhalb der privaten Haushaltsführung, bei der Entscheidung für ein bestimmtes Verkehrssystem oder eine spezielle Urlaubsart, bei der Freizeitgestaltung in der Familie und im Freundeskreis, bei der Berufsausübung oder der Organisation beruflicher Arbeit und der damit mitdeterminierten Entscheidung über bestimmte Güter und Dienstleistungen und deren Herstellungsverfahren, aber auch bei der Beeinflußung von Menschen in Erziehung und Politik das umweltbezogene Erleben und Verhalten von Menschen wesentlich bestimmt wird. Dabei - und dies berührt nun die psychologischen Konzepte - läßt sich das genannte Erleben und Verhalten weiter differenzieren. Da ist zunächst die Kognition: Hier geht es um das, was wir wahrnehmen, was wir wissen und denken. Sieht z. B. die Hausfrau einer Tomate an, ob sie vom Bio-Bauern oder aus einer nahezu industriellen Produktion stammt? Weiß der Tourist, wie viel Kerosin das Flugzeug verbraucht, das ihn auf die Bahamas bringt? Dann kommt der Aspekt des Wertens, der gefühlsmäßigen Stellungnahme: Genießt es ein Autofahrer, in seinem Pkw mit über 200 km/h über die Autobahn zu fahren (ob wohl er weiß, daß dies eigentlich deutlich mehr Treibstoff verbraucht und damit umweltschädlich ist)? Ärgert sich ein Konsument, wenn er für ein Ei 40 Pfennige zahlen muß (obwohl er weiß, daß es aus aufwendiger, tiergerechter Bodenhaltung stammt)? Auf dieser Basis kann sich die Motivation, der Impuls zum Handeln, ergeben, was umgangssprachlich als ’Wünschen’ oder ’Wollen’ umschrieben wird: Will man im nächsten Urlaub mit dem Flugzeug nach Südamerika reisen oder mit dem Fahrrad am Ufer der Donau entlang ins Burgenland? Präferiert man es, die Milch in der Flasche oder in einer Kunststoffpackung zu kaufen. All dies ist selbstverständlich auch abhängig von dem, was man weiß und der Wertung dieses Wissens. Die schließliche Umsetzung, das Verhalten oder gar das zielgerichtete Handeln, sind wesentlich vom Wünschen oder Wollen bestimmt, aber nicht ausschließlich davon abhängig. Auch die persönliche Handlungskompetenz, die Gewohnheiten, geschriebene und ungeschriebene soziale Normen oder förderliche bzw. hinderliche situative Bedingungen entscheiden darüber, ob man tatsächlich das tut, was man tun will. So hat man auf den unterschiedlichsten Gebieten feststellen können, daß nur etwa die Hälfte derer, die auf entsprechende Nachfragen angeben, umweltschonendes Verhalten zeigen zu wollen, dies auch faktisch tun. All diese Prozesse - Kognition, Emotion, Motivation und Umsetzung - lassen sich auf die genannten inhaltlichen Felder (z. B. privater Haushalt, Freizeit, Politik) beziehen. Macht man dies nun zu einem wissenschaftlichen Forschungsprogramm innerhalb einer anwendungsorientierten Disziplin, so können Tiefe der Analyse und praktische Relevanz erheblich streuen. Relativ bescheiden ist der Anspruch, wenn man sich auf das Beschreiben beschränkt. Dies gilt etwa dann, wenn man z. B. die Vorstellungsbilder, Gefühle oder Handlungsimpulse qualitativ zu erfassen sucht, die bestimmte Personen angesichts eines qualmenden Lkw-Auspuffs haben. Um das Beschreiben geht es aber auch dann, wenn man sich um sozialwissenschaftliche Meßinstrumente, also um Operationalisierungen, bemüht, mit denen z. B. der Stellenwert des Umweltschutzes innerhalb der Kultur eines Produktionsunternehmens ermittelt werden soll. Die Komplexität dieser Fragestellungen verdeutlicht, daß allein ein den Forschungsgegenstand valide abbildendes Beschreiben in einem anspruchsvollen Forschungsprogramm münden kann, selbst dann, wenn man noch auf die Aufhellung von Erklärungszusammenhängen, also auf die Analyse von Wenn-Dann-Beziehungen, verzichtet. Dies zu leisten, ist dann der nächste Schritt wissenschaftlicher Analyse. Beim Erklären geht es uni den Nachweis kausaler Beziehungen, um die Analyse, durch welche personalen und situationalen Komponenten die Motivation gestärkt wird, den Müll zu trennen, und welche Konsequenzen diese Motivation hat. Die Motivation, den Müll zu trennen, wird also entweder als Abhängige Variable betrachtet, für die man die noch unbekannten Unabhängigen Variablen sucht, von denen sie abhängt (wie Werbung für Mülltrennung), oder als Unabhängige Variable (die ihrerseits wiederum bestimmte Abhängige Variable beeinflußt - z. B. das Gefühl, sich für den Umweltschutz ausreichend zu engagieren). Der beste methodische Weg zum Nachweis kausaler Beziehungen besteht nach wie vor im Experiment, obwohl man versucht hat, durch komplexe, theoriegeleitete statistische Analyseverfahren (z. B. über lineare Strukturgleichungsmodelle wie die Pfadanalyse) kausalen Beziehungen auch ohne aufwendige Experimente auf die Spur zu kommen. Häufig ist es bei Untersuchungen im Feld nicht möglich, Experimente im strengen Sinne, d. h. mit systematischer und willkürlicher Variation der Unabhängigen Variablen durchzuführen, so daß man sich letztlich darauf beschränken muß, systematisch erfaßte Befragungs- und Beobachtungsdaten theoriegeleitet statistisch auf ihre Beziehung hin zu analysieren und die Befunde entsprechend zu interpretieren. In der Psychologie ist dies ein ausgesprochen schwieriges und anspruchsvolles Vorhaben, da monokausale Beziehungen als rare Ausnahmen gelten müssen. So ist z. B. das beobachtbare Verhalten eines Menschen, nicht mehr wie bisher mit dem Pkw, sondern mit dem Öffentlichen Personennahverkehr zur Arbeit zu fahren sicherlich nicht allein in der Hinsicht in die Umweltschädlichkeit privater Pkw-Nutzung bestimmt, sondern von einer Vielzahl weiterer Einflußgrößen abhängig, die von Person zu Person unterschiedlich sind und die Erarbeitung verallgemeinerungsfähiger Erklärungsansätze fast unmöglich machen. So haben die in der Forschung aufgefundenen Kausalbeziehungen meist nur den Charakter gut fundierter Hypothesen, die in nachfolgenden, weiter verbesserten Untersuchungen durchaus modifiziert oder gar falsifiziert werden können. Ist ein befriedigender Erklärungsansatz gefunden worden, so ist in der Regel auch eine Prognose möglich, die über bloße Trendfortschreibung oder theoretisch nicht fundiertes Erfahrungswissen hinausgeht. Dies nun ist für Interventionsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung. Hat man z. B. in einschlägigen Analysen gezeigt, daß systematisches Modellernen bei Jugendlichen dazu führen kann, daß sie lieber mit dem Fahrrad als mit dem Moped fahren, so kann dies in ein gezieltes Erziehungsprogramm im Schulunterricht oder das Bildungsfernsehen umgesetzt werden. Es ist offensichtlich, daß in aller Regel die soeben genannten Stufen wissenschaftlichen Arbeitens aufeinander aufbauen: eine valide, möglichst operationale Beschreibung der interessierenden Phänomene ist eine notwendige Voraussetzung ihrer Erklärung, die Erklärung eine Voraussetzung für die Prognose und diese wiederum Voraussetzung für eine wissenschaftlich begründete Intervention. Hat man die im Würfel visualisierten drei Dimensionen vor Augen, so läßt sich an den einzelnen Zellen exemplarisch festmachen, wo umweltpsychologische Forschung oder Praxis ansetzen kann. 5. Beispiele umweltpsychologischen Handelns Konkretisieren wir nun an vier Beispielen umweltpsychologisches Handeln. Die Beispiele wurden dabei bewußt so breit gewählt, daß sie mehrere Zellen des Würfels betreffen und verallgemeinerungsfähig sind. Als erstes sei auf den Versuch einer Beschreibung eingegangen und zwar der Beschreibung eines Konzeptes, (las für eine Vielzahl von Handlungsfeldern bedeutsam erscheint. Es handelt sich um das im Alltagsgespräch häufig sehr vage umschriebene Konzept des ’Umweltbewußtseins’. Auf dem Felde des Umwelthandelns wird häufig von ’Umweltbewußtsein’ in einem ähnlichen Sinne wie sonst von Einstellungen gesprochen. Einstellungen werden als aus der Erfahrung kommende Bereitschaften verstanden, einem Objekt gegenüber relativ stabil zu reagieren. Dabei werden meist drei Dimensionen voneinander unterschieden: die kognitive (d. h. das Wissen über das Objekt), die affektive (d. h. die positiven oder negativen Wertungen gegenüber dem Objekt) und die motivationale (d. h. die spezifischen Handlungsbereitschaften gegenüber dem Objekt). Darstellung 2 zeigt die verschiedenen Bedeutungsumfänge von ’Umweltbewußtsein’, wobei der mittlere dem Einstellungskonzept am ehesten entspricht (allerdings ist gegenüber dem hier soeben skizzierten Einstellungskonzept zu beachten, daß ein eher aktuelles Umwelterleben verbunden mit einer aktuellen Betroffenheit von eher zeitstabilen umweltbezogenen Wertorientierungen abgehoben wird, was gemeinsam annäherungsweise dem emotionalen Aspekt von Einstellungen entspricht). Ein solches Mehr-Ebenen-Konzept verdeutlicht, daß der Begriff ’Umweltbewußtsein’ in sich nicht homogen ist, sondern verschiedene Aspekte umfaßt, die nicht sehr stark miteinander zusammenhängen. So fand man zwischen ’Wasserbelastung durch Haushalt’, ’Betroffenheit über den Stand der Gewässerbelastung’ und ’Bereitschaft zu wasserschonenden Verhalten’ relativ bescheidene Interkorrelationen zwischen .43 und .63. Gerade auf dem Gebiet der Umwelt gilt es außerdem, sehr präzise zwischen den globalen Werten auf der einen und den sehr konkreten verhaltensnahen Einstellungen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Nur bei verhaltensnahen Einstellungen, die unmittelbar auf die lokale Umwelt gerichtet sind, ist eine Konsequenz entsprechenden Verhaltens im Sinne einer Rückkoppelungsschleife für die Person direkt und indirekt wahrnehmbar und steuert künftiges Verhalten. Betrachten wir nun ein Beispiel, innerhalb dessen ein Erklärungszusammenhang gesucht wurde. Das Beispiel setzt sich mit der Bedeutung des Umweltschutzes und der Erhaltung der natürlichen Umwelt in der Wertehierarchie künftiger Führungskräfte auseinander. Bei dieser Untersuchung wurden im Rahmen eines Längsschnittsdesigns potentielle Führungskräfte (insbesondere Absolventen wirtschafts- und ingenieurswissenschaftlicher Studiengänge von Universitäten) im Abstand von jeweils einem Jahr danach gefragt, wie hoch ihrer Meinung nach in den Wirtschaftsunternehmen die ’Erhaltung der Umwelt’ im Vergleich zu elf anderen Unternehmenszielen wie z. B. ’Steigerung des Gewinns’, ’Förderung des technischen Fortschrittes’ oder ’gutes Betriebsklima’ sein sollte (= Soll-Wert). Sie wurden darüber hinaus auch danach gefragt, wie intensiv der Wert ’Erhaltung der Umwelt’ - wiederum verglichen mit den elf anderen Werten - in den Unternehmen real gelebt wird (=Ist-Wert). Es zeigte sich in mehreren Stichproben, daß die jungen Leute in der Zeit ihres Hochschulexamens, also noch vor Eintritt in ein Unternehmen, unabhängig von ihren sonstigen Einstellungen den Soll-Wert ’Erhaltung der Umwelt’ sehr hoch skalierten, was bei Umsetzung der Skalenwerte in Rangplätze meist zu Rangplatz 1, zumindest aber zu einem der vier vorderen Rangplätze führte. Dagegen schätzen sie die Unternehmen hinsichtlich ihrer Umweltorientierung kritisch ein, d. h. der wahrgenommene Ist-Wert ’Erhaltung der Umwelt’ lag bei der ersten Befragung durchgängig auf einem der beiden letzten Rangplätze. Die längere Mitgliedschaft im Unternehmen veränderte dies deutlich: Die ’Erhaltung der Umwelt’ als Soll-Wert wurde im Rang von anderen Werten überholt und erreichte als Ist-Wert in der Wahrnehmung bald einen mittleren Rangplatz. Die Längsschnittstudie läßt sich dahingehend interpretieren, daß durch die Sozialisation in der Organisation die Umweltorientierung junger Akademiker relativ absinkt und sie die Unternehmen unter dem Aspekt des Umwelthandelns weniger kritisch sehen. Nun ein Beispiel zur Prognose: Staatliche Verwaltungen neigen dazu, das Verhalten der Bevölkerung durch Vorschriften - Gebote und Verbote - zu steuern. Als Folge solcher Ver- und Gebote können aber - psychologisch begründet mit der sog. Reaktanztheorie - dysfunktionale Verhaltensweisen prognostiziert werden. Das Konzept der Reaktanz bedeutet, daß Menschen, die eine Einengung ihrer Handlungsfreiheit wahrnehmen und zugleich die Möglichkeit sehen, diese Einengungen zu durchbrechen, dies auch gehäuft tun („ ... denn was verboten ist, macht uns gerade scharf.“). In diesem Sinne konnte gezeigt werden, daß Autofahrer dort, wo sie sich unkontrolliert glaubten, Geschwindigkeitsbegrenzungen, die ihnen von der Situation her nicht begründet schienen, bewußt überschritten und „jetzt erst recht!“ auf’s Gaspedal stiegen. Wählen wir nun ein Beispiel für das Intervenieren, das gleichermaßen menschliche Kognition, Emotion und Motivation sowie deren Umsetzung ins Handeln thematisiert und im Grundsatz für alle in der Darstellung angesprochenen Handlungsfelder gilt: Eine Aufgabe für Umweltpsychologen kann darin bestehen, Kampagnen zur Sensibilisierung des Umweltbewußtseins oder zur Steigerung umweltgerechten Handelns zu konzipieren oder beratend zu begleiten. Da das Veränderungswissen der Werbepsychologie relativ unabhängig vom beworbenen Gegenstand ist, gilt nahezu alles, was bei der Konsum- oder Investitionsgüterwerbung empfohlen wird auch für die Gestaltung von Informationen, mit denen man die Bevölkerung zu umweltgerechterem Verhalten bringen will. Konkret sollte man dabei u. a. folgende Punkte beachten: Die Information prägnant gestalten und diese Gestaltung empirisch testen. Möglichst viele Sinnesorgane in vielfältiger Weise ansprechen - z. B. mit Bildern und Texten, die sich gegenseitig stützen und ergänzen. In der Argumentation von konkret wahrnehmbaren und bedeutsam erscheinenden Umweltereignissen ausgehen. Bei der inhaltlichen Gestaltung darauf achten, daß vom Vertrauten und emotional Positiven ausgegangen wird und auch dies empirisch prüfen. Verdeutlichen, daß Umwelthandeln Spaß machen kann und darüber hinaus ein Mittel zu positiv bewerteten individuellen Zielen ist, wie z. B. Geld, Geltung oder Gesundheit (Diese Empfehlung wurde z. B. bei der Klimaschutz-Initiative des Bundesumweltministerium „Mensch ändere Dich“ im Jahre 1995 realisiert; hier heißt es: „Ob Geizen beim Heizen, sparsames Autofahren, Energiesparlampen oder Park & Ride: eines ist ... schon lange klar - Klimaschutz macht Spaß! Gleichzeitig die Umwelt und den eigenen Geldbeutel schonen ...“). Angesichts der begrenzten menschlichen Verarbeitungskapazität und um Informationsüberlastung zu vermeiden, Schlüsselinformationen bildlicher (z. B. Piktogramme) und/oder textlicher Art verwenden, die wesentliche Informationen bündeln und zusammenfassen. Verbale oder bildliche Symbolisierungen für umweltgerechtes Handeln mit emotional positive besetzten Begriffen bzw. Bildern verbinden, um im Sinne der klassischen Konditionierens von Emotionen das Umwelthandeln positiMöglichst darauf verzichten, die negativen Konsequenzen schädlichen Umwelthandelns allzu drastisch zu dokumentieren, da sich sonst negative Gefühle (z. B. Angst) mit der gesamten Thematik verbinden und zur Wahrnehmungsabwehr führen können. Nicht einseitig argumentieren, sondern wahrscheinliche Gegenargumente aufnehmen und dann glaubwürdig relativieren. Die Möglichkeiten des Umwelthandelns konkret aufzeigen und z. B. durch geeignete Modellpersonen verdeutlichen lassen. Darauf hinweisen, wie konkrete Hindernisse überwunden werden, die sich positivem Umwelthandeln in den Weg stellen können. Auf die direkten positiven Konsequenzen (Feedback) aufmerksam machen, die sich aus der Verhaltensmodifikation in der Umwelt des Handelnden ergeben. 6. Abschluß Geht es darum, ein Gemeinwesen am Wert der Umwelterhaltung zu orientieren, diesen Wert also z. B. in der Kultur eines Landes oder eines Unternehmens mit hoher Priorität zu verankern, dann sind nicht nur breites Erfahrungswissen, sondern auch wissenschaftliche Erkenntnisse gefragt. Diese Erkenntnisse müssen - wie bereits zu Beginn dargelegt wurde - aus verschiedenen Disziplinen kommen und sodann problemorientiert integriert werden. Da im diesem Kontext das Handeln von Menschen eine wesentliche Rolle spielt, gewinnt die Psychologie hier einen hohen Stellenwert. Gewiß ist es Aufgabe der Naturwissenschaften, die Umweltschädlichkeit bestimmter Produkte nachzuweisen bzw. zu verbessern. Doch kommt es dann auf die Menschen an, ob sie diese Angebote auch übernehmen. Sicherlich ist es die Aufgabe von Politikern und Lehrern, die Menschen durch Regelungen und Normen zu umweltgerechten Verhalten zu bewegen, doch sind es letztlich psychologische Prozesse, die wesentlichen Einfluß darauf haben, ob diese Gesetze beachtet und diese Erziehungswerte akzeptiert und in entsprechendes Verhalten umgesetzt werden. Gerade wenn es darum geht, zu untersuchen und zu erreichen, daß aus einem umweltspezifischen „Soll“ ein „Ist“ wird, erscheint Psychologie unverzichtbar. Weiterführende Literatur: Hammerl, B. M.: Umweltbewußtsein in Unternehmen, Frankfurt 1994; Kroeber-Riel, W./ Weinberg, P.: Konsurnentenverhalten, München 1996; Kruse, L./ Graumann, C. F./ Lantermann, D. (Hrsg.): Ökologische Psychologie. Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen, insb. Spada, H.: Umweltbewußtsein, Einstellung und Verhalten, München 1990; Michelsen, G. (Hrsg.): Umweltberatung. Grundlagen und Praxis, Bonn 1997; Schnell, R./ Hill, P .B./ Esser, E.: Methoden der empirischen Sozialforschung, 3. Aufl., München 1997; Steger, Umweltpsychologie (Hrsg.): Handbuch das Umweltmanagements. Anforderungs- und Leistungsprofile von Unternehmen und Gesellschaft, München 1992.



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