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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Ökologische Ökonomie

1. Einführung Aktuelle wirtschaftspolitische Diskussionen über Themen wie „Arbeitslosigkeit“ und „Internationale Wettbewerbsfähigkeit“ lassen vermuten, daß das Umweltproblem nun mühelos kontrollierbar ist und in Zukunft keinerlei Anlaß zur Besorgnis bietet. Doch im Gegenteil: Phänomene wie Artensterben, Regenwaldvernichtung, Ozonloch (Ozon) oder Treibhauseffekt sind Anzeichen für eine Verschärfung der Umweltproblematik. Vorwiegend aufgrund dieser angebrachten Probleme, die globaler und langfristiger Natur sind, wird immer mehr und häufiger Kritik an der neoklassischen Umweltökonomie geübt, vor allem ihre Annahmen, Methoden und Ergebnisse gelten nicht selten als unangemessen. Eine Alternative wird in Form der Ökologischen Ökonomie („ecological economics”) angeboten, die durch Arbeiten von N. Georgescu-Roegen, K. Boulding, H. Daly, E. Odum, P. und Ökologische Ökonomie Ehrlich Mitte der 70er Jahre erstmals in die wissenschaftliche Szene getreten ist. Daß sich die Ökologische Ökonomie nicht allgemeiner Akzeptanz erfreut, jedoch immer mehr an Popularität gewinnt, ist unter anderem an den steigenden Mitgliederzahlen der 1989 gegründeten „International Society for Ecological Economics“ und der wachsenden wissenschaftlichen Bedeutung der internationalen Zeitschrift „Ecological Economics“ zu erkennen. Dabei kann die Gründung der Zeitschrift „Ecological Economics“ (1988) als ein Datum der Institutionalisierung der Ökologischen Ökonomie begriffen werden. Als federführende deutsche Institution ist das IÖW (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung) in Berlin anzuführen. Des weiteren wurde in Deutschland 1996 die „Vereinigung für Ökologische Ökonomie e.V.“ gegründet. Auch stellen sich in jüngerer Zeit an die Spitze der Ökologischen Ökonomie Persönlichkeiten mit bedeutendem Hintergrund auf dem Gebiet der Nutzen-Kosten-Analyse, wie - stellvertretend für andere - Pearce, Direktor des London Environmental Economics Centre (LEEC). In diesem Zusammenhang ist Pearce & Turner als das erste Lehrbuch zu nennen, in dem die Fragestellungen der Ökologischen Ökonomie einen großen Teil beanspruchen und gleichgestellt mit gewohnten umweltökonomischen Standardthemen untersucht werden. Im Mittelpunkt der Ökologischen Ökonomie steht das umweltpolitische Leitbild des Sustainability-Konzepts, das in der gängigen Literatur auch als“Sustainable Development”, nachhaltige Entwicklung und dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung bezeichnet wird. Im Sinne der Ökologischen Ökonomie handelt es sich bei der nachhaltigen Entwicklung um die Konzeption der „starken“ Nachhaltigkeit (strong sustainability). Diese impliziert eine vollkommene NichtSubstituierbarkeit von natürlichem Kapital durch Sachkapital bzw. andere Kapitalarten im Gegensatz zur „schwachen“ Nachhaltigkeit (weak sustainability), die eine annähernd gänzliche Substitution des natürlichen Kapitals durch andere Kapitalarten erlaubt. Die Perspektive, aus der die nachhaltige Entwicklung gesehen wird, bestimmen zwei wesentliche Gesichtspunkte: zum einen, von welchem Naturbild ausgegangen wird, und zum anderen, welche Wissenschaft sich mit dem Begriff auseinandersetzt. Beide, sowohl die Ökologische Ökonomie mit der Konzeption der strong sustainability als auch die neoklassische Umweltökonomie mit der Konzeption der weak sustainability, sind der Wirtschaftswissenschaft zuzuordnen. Jedoch besitzt die Ökologische Ökonomie eine biozentrische Sichtweise, wohingegen die traditionelle Umweltökonomie eine anthropozentrische Sichtweise für sich beansprucht. Die wohl wichtigste Erkenntnis besteht darin, daß es sich bei der nachhaltigen Entwicklung um ein Leitbild handelt, das weit über die Betrachtung der umweltpolitischen Komponente hinausgeht und unmittelbar ökologische, ökonomische und soziale Entwicklungsprozesse berührt. Dabei ist insbesondere die Interdependenz der drei Dimensionen zu beachten, die integrative Lösungsansätze erfordert. Demnach sind ökologische, ökonomische und soziale Entwicklungen notwendig als innere Einheit zu sehen. 2. Kritik an der neoklassischen Umweltökonomie alias Ökonomische Ökologie aus Sicht der Ökologischen Ökonomie. Die traditionelle Umweltökonomie übernimmt theoretisch und methodologisch die Grundsätze und Ziele der Ökonomie. In der ökonomischen Theorie bildet das einzelne Individuum und dessen Streben nach Gewinn- und Nutzenmaximierung die Grundlage. Folglich wird bei der Analyse sowohl von einem methodologischen als auch normativ-politischen Individualismus ausgegangen. Gesellschaftliche Zustände resultieren aus der Aggregation individueller Entscheidungen, die zu einer optimalen Allokation führen. Eine effiziente Allokation geht einher mit dem gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsmaximum. Die neoklassische Umweltökonomie geht davon aus, daß der Selbststeuerungsmechanismus des Marktes eigentlich funktioniert, wobei ein Korrekturbedarf bei Vorliegen externer Effekte nicht ausgeschlossen wird. Diese Korrektur wird durch Umweltschutzpolitik in Form einer -Intemalisierung - strategie geleistet. Dabei wird nicht auf Diskrepanzen zwischen Ökonomie und Ökologie eingegangen. Die Umwelt wird in das Schema von relativen Preisen und Präferenzen, von Kosten und Nutzen integriert, sie wird „verpreist“. Umweltprobleme werden als Extemalität mit Wachstumsverlust deklariert und entspringen Markt- und/oder Politikversagen. Das Umweltproblem aus umweltökonomischer Sicht basiert also auf der ineffizienten Allokation von Naturgütern. Dadurch bewirkt das Marktgleichgewicht ein suboptimales Ergebnis. Werden diese Versagensfälle des Marktes und/oder der Politik beseitigt, d. h. das Pareto-Optimum als gesellschaftliches Wohlfahrtsmaximum als Folge der effizienten Allokation der natürlichen Umweltressourcen wird erreicht, so kommt es zur Versöhnung von Ökologie und Ökonomie. Ökonomische Effizienz und ökologische Effektivität, beides ist erfüllt. Niemand wird wohl ernsthaft der ökonomischen Profession Kompetenz absprechen wollen, wenn es sich um die Frage einer ökonomisch optimalen, d. h. nichtverschwenderischen Nutzung der natürlichen Umwelt in bezug auf die Güterversorgung handelt. Inkompetenz ist ihr demgegenüber bei dem neoklassischen Unterfangen zu bescheinigen, ökonomische Ineffizienz als Folge neoklassischer Extemalitäten als hinreichende Bedingung ökologischer Ineffizienz aufzufassen. Im Umkehrschluß stellt somit der Wohlfahrtstheorie zufolge eine effiziente Allokation kein Umweltproblem dar. Dies gilt auch im Falle einer Übernutzung der ökologischen Systeme. Daly bringt diese Problematik auf den Punkt, indem er schreibt, daß die optimale Allokation eines gegebenen Ausmaßes des Ressourcenflusses innerhalb der Ökonomie eine Sache ist (ein mikroökonomisches Problem). Ein vollkommen anderes Problem dagegen stellt das optimale Ausmaß der gesamten Ökonomie in Relation zum Ökosystem dar (ein Problem auf der Makro-Makro-Ebene). Der Begriff „Ausmaß“ ist dabei als ein Kürzel für das physische Ausmaß oder die Größe der menschlichen Anwesenheit im Ökosystem, gemessen als Bevölkerung mal Ressourcen-verbrauch pro Kopf, zu verstehen. Nach dem Ansatz der Ökologischen Okonomie sind nicht externe ökologische Effekte der Ökonomie das Problem, sondern externe ökonomische Effekte der Natur. Deshalb ist die ökologische Krise eben nicht nur durch Internalisierung der Natur in die Ökonomie lösbar, sondern vielmehr gilt es, die Okonomie in die Natur zurückzuholen, sie wieder in diese einzubinden. Wie bereits beschrieben, basiert die traditionelle Umweltökonomie auf der paretianischen Allokationstheorie und ist demzufolge reine Effizienztheorie. Diese ist neben ökologischen Aspekten auch unter dem Gesichtspunkt der Verteilung prekär. Paretorelevant sind nur die negativen externen Effekte, bei denen die Grenznutzen der Beseitigung bzw. Vermeidung die Höhe der korrelierenden Grenzkosten übersteigen. Die pareto-irrelevanten Rest-Umweltbelastungen können sich in der langfristigen Betrachtung summieren und letztendlich im Zusammenbruch der Natur gipfeln. Da die statischen Effizienzkriterien den dynamischen Konditionen ökologischer Systeme nicht nachkommen, fallen ökonomisches und ökologisches Optimum auseinander. Verschärfend wirken Irreversibilitäten in Ökosystemen. Auch die in der Pareto-Theorie ungelösten Verteilungsprobleme wirken sich negativ auf die Umwelt aus. Einerseits erhöhen größer werdende nationale und internationale Ungleichgewichte systematisch das Ausmaß der globalen externen Effekte. Andererseits blockieren diese Unverhältnismäßigkeiten die Durchsetzung einer wirksamen Umweltpolitik. Überdies hemmen Ungleichheiten gegenwärtig die erforderliche Zukunftsvorsorge und führen demzufolge zu intergenerationeller Ungleichheit bzw. nicht nachhaltiger Entwicklung. Die zentrale Kritik der Ökologischen Ökonomie am neoklassischen Ansatz besteht darin, daß die Neoklassik in ihrer Orientierung an reduktionistisch-naturwissenschaftlicher Denkweise und ihrer einseitigen Betonung mathematischer, vor allem marginalistischer Gleichgewichtsanalyse, nicht in der Lage ist, komplexe Phänomene ganzheitlich zu erfassen, wie es die ökologische Realwelt erfordert. Abschließend sei festgehalten, daß das von den traditionellen Ökonomen eingebrachte allgemeine Thema „Internalisierung von Externalitäten“ gewiß einen wichtigen Platz bei der Analyse der Umweltproblematik einnimmt. Trotz dessen ist es für eine umfassende Lösung der Umweltproblematik ungeeignet. Die zunehmende Berufung auf sogenannte „Externalitäten“ ist der unverkennbare Beweis der Inkompatibilität immer mehr wichtiger Fakten mit dem existenten theoretischen Rahmen der neoklassischen Umweltökonomie. Wenn vermehrt lebenswichtige Tatsachen, eingeschlossen der Gabe der Erde selbst, Leben zu bewahren, als „Externalitäten“ behandelt werden müssen, dann ist die Zeit gekommen, grundlegende Rahmenbedingungen unseres Denkens zu verändern, um diese kritischen Probleme als intern und zentral untersuchen zu können. 3. Umweltökonomie als Ökologische Ökonomie („Ecological Economics”) Aus der Kritik bzw. den Grenzen der herkömmlichen Umweltökonomie entwickelte sich eine Neuorientierung im Sinne der Ökologischen Ökonomie. Gegenüber der konventionellen neoklassischen Umweltökonomie sind klare Akzentverschiebungen in bezug auf Erkenntnisinteressen, Zielsetzungen und im Verhältnis zu anderen Wissenschaften festzustellen. Hinsichtlich dem Verhältnis zu anderen Wissenschaften ist eine grundlegende Öffnung der Ökologischen Ökonomie gegenüber der Ökologie (Naturwissenschaften), den Sozialwissenschaften und den ethischen Grundlagen kennzeichnend. Die Ökologische Ökonomie läßt sich allgemein als überdisziplinäres, systemtheoretisches und evolutorisches Entwicklungsmodell formulieren, in dem die Interdependenzen (Wirkungen, Rückwirkungen, Synergismen) zwischen ökonomischem, ökologischem und sozialem System analysiert werden. Der traditionellen Umweltökonomie kann nicht widersprochen werden, wenn sie diesem Prozedere eine erhöhte Komplexität des Systems im Gegensatz zur zeit- und raumunabhängigen neoklassischen Analyse vorwirft. Doch dieser Kritik der Neoklassik an der Ökologischen Ökonomie kann entschieden entgegnet werden, daß es zur Erklärung der Realität vielleicht rationaler ist, eine grobe Abschätzung in die richtige Richtung vorzunehmen als sich aufgrund exakter Berechnungen in die falsche Richtung zu bewegen. 3.1. Naturwissenschaftliche Aspekte Die Ökologische Ökonomie ist bestrebt, Erkenntnisse der Naturwissenschaft in die ökonomische Theorie zu integrieren. Naturwissenschaftliche Konzepte sind für die Ökologische Ökonomie in doppelter Hinsicht relevant. Zum einen demonstrieren sie die Interdependenz zwischen Ökologie und Ökonomie und heben somit die natürlichen Einschränkungen für die ökonomische Analyse hervor. Zum anderen kann versucht werden, naturwissenschaftliche Gesetze und Theorien für die Analyse des ökonomisch-ökologischen Systems anzuwenden. Als Beispiel für die Forderung nach einer intensivierten Einbeziehung naturwissenschaftlicher Gesetze und Theorien in ökonomische Modelle seien im folgenden die Kernthesen der sogenannten „Thermodynamischen Schule“ kurz beschrieben. Zentral ist hier die Bedeutung physikalischer Gesetzmäßigkeiten in Form der zwei Hauptsätze der Thermodynamik für die ökonomische Theoriebildung. Basis der Überlegungen ist die Erkenntnis, daß durch menschliche Wirtschaftsaktivitäten Energie und Materie in andere Zustandsformen transformiert werden. Aus diesem Grund ist es durchaus möglich, die Thermodynamik als Teildisziplin der Physik auch für die Analyse wirtschaftlicher Prozesse nutzbar zu machen. Die beiden Hauptsätze der Thermodynamik lauten folgendermaßen: In einem geschlossenen System kann Energie weder geschaffen noch zerstört werden. Die Entropie eines geschlossenen Systems nimmt zu bzw. bleibt - im Falle eines reversiblen Prozesses - konstant. Die ökonomischen Implikationen dieser beiden Sätze sind in besonderem Maße auf die Einsichten bezüglich Entropie und Wirtschaft von Georgescu-Roegen zurückzuführen. Dabei kann die „Quintessenz“ seiner Ideen in der sogenannten „Entropiesanduhr“ zusammenfassend dargestellt werden. Zur inhaltlichen Erklärung der „Entropiesanduhr“ sei insbesondere auf Georgescu Roegen und Daly verwiesen. Das Entropiegesetz kann im ökonomischen Bereich als irreversible Entwertung der Natur durch ökonomische Prozesse ausgelegt werden. Einerseits ist niedrige Entropie (wertvolle Energie) ein ständiger Input des ökonomischen Systems. Andererseits gibt das ökonomische System hohe Entropie (wertlose Energie) an das Ökosystem ab. Da die niedrige Entropie nicht von Marktpreisen registriert wird, ist es ökonomisch effizient, ökologisch ineffizient zu arbeiten. Nur solange der Entropieaustausch mit der Umgebung realisierbar ist, läßt sich ein Gleichgewicht des ökonomischen Systems bewahren. Das ökonomische System trägt zu einer ununterbrochenen Erhöhung der Entropie im ökologischen System bei, und zwar durch: Schadstoffemissionen in die Umwelt; Abbau nicht erneuerbarer Ressourcen; Übernutzung erneuerbarer Ressourcen; Störung der ökologischen Kreisläufe (Treibhauseffekt, Abbau der Ozonschicht). Ein Beispiel aus ressourcenökonomischer Sicht soll die Problematik verdeutlichen. Eine bestimmte Menge Mineralöl im Boden steht für eine geringe Entropie, da dieser Zustand äquivalent mit einer bestimmten Menge verwertbarer Energie ist. Die nach der Verbrennung gerade dieser Menge Mineralöl in der Atmosphäre befindlichen Verbrennungsrückstände repräsentieren eine sehr hohe Entropie, da diese für eine gegen null gehende verwertbare Energie stehen, wenngleich gemäß erstem Hauptsatz der Thermodynamik die anfänglich im Mineralöl enthaltene Energiemenge nicht zerstört worden sein kann. Auf diese Weise transformiert der Mensch im Rahmen seiner wirtschaftlichen Aktivität natürliche Inputs in nicht mehr nutzbare Stoffe. Ein Großteil dieser Umwandlungsprozesse ist nicht mehr oder nur mit sehr großen Anstrengungen revidierbar, folglich „quasi irreversibel“. In der Konsequenz bedeutet dies aus Sicht der thermodynamischen Schule, daß das Recycling als der „Königsweg“ zur Lösung des Umweltproblems nur begrenzt geeignet ist. Vielmehr ist das Ausmaß menschlicher Wirtschaftsaktivität auf der Erde langfristig begrenzt durch diejenige Menge verwertbarer Energie, die dem System Erde ständig von außen durch Sonneneinstrahlung zugeführt wird. Aufgrund dieser Tatsache wird eine Obergrenze für die globale menschliche Wirtschaftsaktivität wahrgenommen, die von der neoklassischen Wachstumstheorie nicht berücksichtigt wird. 3.2. Ethische Aspekte Anliegen der Ökologischen Ökonomie ist es auch, intra- und intergenerationelle Gerechtigkeitsfragen ausdrücklich aufzunehmen und zu integrieren. Entsprechend ist eine Aufgeschlossenheit gegenüber der Verteilungsethik in intra- und intergenerationeller Ausrichtung zu erkennen. Unkorrigiert und unreguliert wachsende Industriestaaten werden unter anderem für steigende nationale und internationale Verteilungsungleichheiten verantwortlich gemacht. Die Ökologische Ökonomie ist somit von dem der traditionellen Umweltökonomie mit Recht treffenden Vorwurf befreit, sich eindimensional den Fragen der Allokationseffizienz unter Vernachlässigung der Distributionswirkungen anzunehmen. Vor allem die intergenerationellen Ungleichheiten durch aktuelle Ressourcenausbeutung und Emission von Schadstoffen sowie das zunehmende Wohlstandsgefälle zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sind für die Umwelt von Bedeutung. Die Ökologische Ökonomie fordert die Gleichbehandlung aller Generationen vor dem Hintergrund der intergenerationellen Gerechtigkeit. Deswegen wird das intertemporale gesellschaftliche Wohlfahrtskriterium der neoklassischen Ressourcenökonomie nicht akzeptiert. Insbesondere ist auf sozialer Ebene eine Diskontierung des Wohlergehens künftiger Generationen ethisch nicht vertretbar, wenngleich zu bemerken ist, daß auf individueller Ebene in der Tat diskontiert wird. Aus Sicht der Ökologischen Ökonomie ist es unzumutbar, daß im Ergebnis der neoklassischen Ressourcenökonomie eine langfristig sinkende gesellschaftliche Wohlfahrt sozial optimal ist. Aus diesem Grund wird dem Staat nahegelegt, auf eine soziale Diskontierung zu verzichten, auch wenn die Präferenzen der individuellen Gesellschaftsmitglieder durch Gegenwartsvorliebe charakterisiert sind. Resümierend kann folglich festgehalten werden, daß das für die neoklassische Ressourcenökonomie grundlegende Konzept der intertemporalen Wohlfahrtsmaximierung nach utilitaristischem Muster von den Vertretern der Ökologischen Ökonomie abgelehnt wird. Demgegenüber will sich die Ökologische Ökonomie den durch die neoklassische und keynesianische Ökonomie in Vergessenheit geratenen Umgang mit ethischen Fundamenten, wie er sich noch bei Adam Smith findet, wieder zu eigen machen. Aus Gründen der Vollständigkeit und elementaren Bedeutung bei der Erläuterung des Begriffes „Ökologische Ökonomie“ wird ausführlich auf die Operationalisierung einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Ökologischen Ökonomie, also der Konzeption der strong sustainability folgend, eingegangen. 4. Operationalisierung einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Ökologischen Ökonomie Die Konkretisierung der nachhaltigen Entwicklung stellt eine komplexe Thematik dar, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden. 4.1. Ökonomische, soziale und ökologische Ziele und deren Ableitung Eine Konkretisierung des Leitbildes aus Sicht der Ökologischen Ökonomie erfordert die Festlegung von Zielen, und zwar in allen drei Dimensionen, der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension. Ziele in ökonomischer und sozialer Hinsicht liegen in vielfacher Hinsicht bereits vor. Eine Formulierung ökonomischer Ziele wurde unter anderem schon auf gesamtwirtschaftlicher Ebene im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes bezüglich auf Preisniveaustabilität, hohen Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum vorgenommen. Existenzminima, Einkommensziele in Rentenformeln oder das Ziel der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse sind seit langem soziale Ziele. Diese Zielsetzungen sind allerdings numerischer und quantifiziert normativer Art und somit weniger geeignet für die Nachhaltigkeitsdiskussion, da diese mehr nach qualitativen Zielvorstellungen verlangt, die in ihrer Gesamtheit auf die Erhaltung der ökonomischen und sozialen Stabilität von Entwicklungsprozessen einerseits sowie die Aufrechterhaltung ihrer dynamischen und damit innovativen Funktionen andererseits ausgerichtet ist. Demgegenüber ist in der praktischen Umweltpolitik eine Umorientierung in Richtung quantitativer Vorgaben mindestens einzuhaltender Schutzziele notwendig, die, wo immer möglich, zu gesetzlich fixierten Umweltqualitäts- und Umwelthandlungszielen führen sollen. Die Sicherstellung und Verbesserung ökologischer, ökonomischer und sozialer Leistungsfähigkeiten ist das zentrale Ziel der nachhaltigen Entwicklung. Diese sind interdependent und können nicht teiloptimiert werden, ohne Entwicklungsprozesse als Ganzes zu gefährden. Die Notwendigkeit, alle drei Dimensionen gleichberechtigt zu behandeln, führte dazu, daß die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“ des 13. Deutschen Bundstages im Zuge der Operationalisierung der nachhaltigen Entwicklung neben ökologischen Grundregeln auch ökonomische und soziale Regeln formulierte. Die Formulierung von ökonomischen und sozialen Grundregeln erwies sich allerdings als sehr schwierig, da hierfür neben einer mangelhaften wissenschaftlichen Basis auch die Durchführung einer detaillierten, politischen Debatte nicht machbar war. Insofern ist sich die Kommission durchaus über die Vorläufigkeit und Skizzenhaftigkeit der Regeln bewußt. Doch genau dies könnte bzw. sollte der Auslöser für eine notwendige wissenschaftliche und politische Auseinandersetzung mit den Thesen sein. Um den „Innovationsbedarf“ und den „Anregungscharakter“ der ökonomischen und sozialen Regeln besser zu vermitteln, seien die Thesen an dieser Stelle genannt: Regeln, die aus ökonomischer Sicht der Nachhaltigkeit beachtet werden sollten: 1. Das ökonomische System soll individuelle und gesellschaftliche Bedürfnisse effizient befriedigen. Dafür ist die Wirtschaftsordnung so zu gestalten, daß sie die persönliche Initiative fördert (Eigenverantwortung) und das Eigeninteresse in den Dienst des Gemeinwohls stellt (Regelverantwortung), um das Wohlergehen der derzeitigen und künftigen Bevölkerung zu sichern. Es soll so organisiert werden, daß es auch gleichzeitig die übergeordneten Interessen wahrt. Preise müssen dauerhaft die wesentliche Lenkungsfunktion auf Märkten wahrnehmen. Sie sollen dazu weitestgehend die Knappheit der Ressourcen, Senken, Produktionsfaktoren, Güter und Dienstleistungen wiedergeben. Die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs sind so zu gestalten, daß funktionsfähige Märkte entstehen und aufrechterhalten bleiben, Innovationen angeregt werden, daß eine langfristige Orientierung sich lohnt und der gesellschaftliche Wandel, der zur Anpassung an zukünftige Erfordernisse nötig ist, gefördert wird. Die ökonomische Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft und ihr Produktiv-, Sozial-, und — Humankapital müssen im Zeitablauf zumindest erhalten werden. Sie sollten nicht bloß quantitativ vermehrt, sondern vor allem auch qualitativ ständig verbessert werden. Regeln, die aus sozialer Sicht der Nachhaltigkeit beachtet werden sollten: 1. Der soziale Rechtsstaat soll die Menschenwürde und die freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie die Entfaltungschancen für heutige und zukünftige Generationen gewährleisten, um auf diese Weise den sozialen Frieden zu bewahren. Jedes Mitglied der Gesellschaft erhält Leistungen von der solidarischen Gesellschaft: entsprechend geleisteter Beiträge für die sozialen Sicherungssysteme, entsprechend Bedürftigkeit, wenn keine Ansprüche an die sozialen Sicherungssysteme bestehen. Jedes Mitglied der Gesellschaft muß entsprechend seiner Leistungsfähigkeit einen solidarischen Beitrag für die Gesellschaft leisten. 3. Die sozialen Sicherungssysteme können nur in dem Umfang wachsen, wie sie auf ein gestiegenes wirtschaftliches Leistungspotential zurückgehen Das in der Gesellschaft insgesamt und in den einzelnen Gliederungen vorhandene Leistungspotential soll für zukünftige Generationen zumindest erhalten werden. Bereits in der 12. Legislative des Deutschen Bundestages hat die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ aus primär ökologischem Antrieb heraus vier grundlegende Regeln, auch Managementregeln genannt, über den Umgang mit Ressourcen, Stoffen und Natur aufgestellt. Dabei ist anzumerken, daß diese nicht nur die Sicherung der Leistungsfähigkeit des natürlichen Produktionssystems „Ökosphäre“ zum Ziel haben, sondern auch die Notwendigkeit der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des „natürlichen Kapitals“ für nachfolgende Generationen betonen. Regeln, die aus ökologischer Sicht der Nachhaltigkeit beachtet werden sollten: Die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen soll deren Regenerationsrate nicht überschreiten. Dies entspricht der Forderung nach Aufrechterhaltung der ökologischen Leistungsfähigkeit, d. h. (mindestens) nach Erhaltung des von den Funktionen her definierten ökologischen Realkapitals. Nicht-erneuerbare Ressourcen sollen nur in dem Umfang genutzt werden, in dem ein physisch und funktionell gleichwertiger Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen oder höherer Produktivität der erneuerbaren sowie der nicht-erneuerbaren Ressourcen geschaffen wird. Stoffeinträge in die Umwelt sollen sich an der Belastbarkeit der -Umweltmedien orientieren, wobei alle Funktionen zu berücksichtigen sind, nicht zuletzt auch die „stille“ und empfindlichere Regelungsfunktion. Das Zeitmaß anthropogener Einträge bzw. Eingriffe in die Umwelt muß im ausgewogenen Verhältnis zum Zeitmaß der für das Reaktionsvermögen der Umwelt relevanten natürlichen Prozesse stehen. Eine fünfte Regel wurde vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) initiiert, um dem Aspekt der Risikovorsorge im Blick auf die Wahrung des Lebens und der Gesundheit des Menschen in Gegenwart und Zukunft Rechnung zu tragen. Sie knüpft an den ersten Grundsatz der Rio-Deklaration und an den Bericht der Enquete-Kommission der 12. Legislaturperiode, der die menschliche Gesundheit als wichtigstes Kriterium für ökologisches Handeln herausstellt. Sie lautet: Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit durch anthropogene Einwirkungen sind zu vermeiden. Die Situation der Weltwirtschaft des 20. Jahrhunderts ist jedoch so zu beurteilen, daß sie weit von der Einhaltung der fünf Managementregeln entfernt ist. Nicht wie erwartet die „Entnahmekapazität“, sondern die „Aufnahmekapazität“ der Umwelt wird in Zukunft problematisch werden. Darüber hinaus sind auch andere Ziele vorhanden, wie z. B. die Natur so zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln, daß die Pflanzen- und Tierwelt sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft als Lebensgrundlagen des Menschen nachhaltig gesichert sind. Die Festlegung von Umweltzielen stellt das Kernproblem des Sustainability-Konzepts dar. Nicht umsonst haben sich die Enquete-Kommissionen „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des 12. und des 13. Deutschen Bundestages den ökologischen Zugang zur Nachhaltigkeitsdebatte als Problemeinstieg gewählt. Deswegen steht auch die Entwicklung von Umweltzielen, Umweltqualitätszielen und Umwelthandlungszielen an erster Stelle ihrer aktuellen Arbeiten. Und nicht umsonst wählt der SRU in seinem \'94er Gutachten für das Leitbild den Begriff „dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung“, der die ökologische Vorrangigkeit klarstellen soll. 4.2. Entwicklung von Umweltzielen - Zielfindung durch Umweltindikatoren Aus dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung sind auf einer ersten operativen Ebene Leitlinien in Form von Managementregeln abgeleitet worden. Diese Regeln geben die Richtung der Konkretisierung an und machen deutlich, welche Folgen des Wirtschaftens unter stofflichen Gesichtspunkten beachtet werden müssen, um die Voraussetzungen des Wirtschaftens im Zeitablauf zu erhalten. Die Anwendung dieser Managementregeln ist allerdings mit Komplikationen verbunden, die den Problemen der Umsetzung der klassischen Prinzipien der Umweltpolitik - Verursacherprinzip, Vorsorgeprinzip und Kooperationsprinzip - entsprechen. Die zentralen Probleme sind: ungeklärte ökologische Ursache-Wirkungsketten; Fragen der Quantifizierung ökologischer Zusammenhänge; ökonomische und soziale Bewertungen ökologischer Ziele. Für die weitere Operationalisierung der grundlegenden Regeln sind aus ökologischer Sicht neben einer weiteren Präzisierung der Stoff- und wirkungsbezogenen Kriterien für die Ressourcennutzung und der Inanspruchnahme der Aufnahmekapazität von Umweltmedien besonders zeit- und raumbezogene Kriterien bzw. Indikatoren notwendig, die den Ist-Zustand der Umwelt quantifizieren und somit eine Bewertung des Status Quo ermöglichen. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn ein allgemein akzeptiertes Maßsystem zum Zustand der natürlichen Umwelt vorliegt, das eine möglichst quantitative Beschreibung der Auswirkungen von Eingriffsmaßnahmen erlaubt, ähnlich wie es die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit Hilfe des BIP für den Bereich der Wirtschaft ist. Der Erfolg von Einzelmaßnahmen in der Umweltpolitik, wie die Praxis zeigt, wird ziemlich differenziert bewertet werden, solange ein solches allgemein akzeptiertes System von Umweltindikatoren nicht zur Verfügung steht. Die Hauptanforderung an ein Umweltindikatorensystem ist eine möglichst repräsentative Darstellung der Situation der Umwelt. Es lassen sich weitere Anforderungen für ein Indikatorensystem nennen: Verdichtung einer Vielzahl von Einzeldaten zur Umweltsituation; Identifikation von politisch bedeutsamen Informationen; Bewertung von umweltpolitischen Programmen und gesetzlichen Grundlagen für die Regelungen des Umweltschutzes; Früherkennung von potentiellen Umweltschäden. Die Konkretisierung und Operationalisierung des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung auf der Ebene quantitativer Umweltindikatoren muß in mehreren Stufen erfolgen. Die Entwicklung von Indikatoren erfolgt dem Rat von Sachverständigen für Umweltfragen zufolge. Aus dem Leitbild folgen Leitlinien (Managementregeln), aus denen sich wiederum Umweltqualitätsziele ableiten lassen. Umweltqualitätsstandards werden durch die quantitative Konkretisierung der Qualitätsziele festgelegt, die als Referenz für die Bildung von Umweltindikatoren dienen. Die Umweltindikatoren sollen die Abweichung der Umweltsituation vom Soll (Umweltqualitätsstandards) anzeigen. Es ist zu bemerken, daß die Indikatorenerstellung nicht nur ein naturwissenschaftliches Problem, sondern auch ein Bewertungsproblem ist, bei dem die Naturwissenschaft nur begrenzt beitragen kann. Denn Grundlage für die Ableitung von Umweltqualitätszielen sind einerseits der wissenschaftliche Erkenntnisstand über qualitative und, soweit verfügbar, quantitative Ursache-Wirkungsbeziehungen und andererseits auf den Zustand oder die Eigenschaften der Umwelt bezogene gesellschaftliche Wertvorstellungen. In seinem Gutachten von 1996 hat der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen die Vorschläge des \'94er Gutachtens für die Entwicklung von Umweltindikatoren noch weiter präzisiert und sein Hauptanliegen auf die Bestimmung von Umweltstandards (quantifizierte Umweltqualitätsziele) gelegt. Indikatorensysteme sollten die ökonomische, ökologische und soziale Entwicklung berücksichtigen. Es sind zwar methodische Ansätze darüber vorhanden, jedoch ist die politische Umsetzung aufgrund eines fehlenden gesellschaftlichen Konsenses noch nicht möglich. Es handelt sich daher vorerst um Umweltindikatoren im eigentlichen Sinne, um Größen zur Beschreibung des Zustands der natürlichen Umwelt. In der ökonomischen und sozialen Dimension der Entwicklung dominieren nach wie vor ökonomische Indikatoren, eventuell ergänzt durch Sozialindikatoren (wie Bildungsgrad, Einkommensverteilung etc.). Es liegen bereits diverse Ansätze für Umweltindikatoren im nationalen und internationalen Bereich vor. Beispielhaft sei auf den Ansatz des Pressure-State-Response-Modells der OECD hingewiesen, ein erstes Indikatorenmodell. Das Pressure-State-Response-Modell basiert auf dem Vorschlag der OECD 1994 mit dem Ziel, Volkswirtschaften hinsichtlich ihrer ökologischen Dauerhaftigkeit vergleichend abbilden zu können. Das Indikatorenmodell ist vom theoretischen Anspruch her ein interessanter Ansatz, der beabsichtigt, zwischen der Umweltbelastung (pressure) und dem sich daraus resultierenden Umweltzustand (state) mit entsprechenden Handlungsmaßnahmen (response) eine Relation herzustellen. Ein Beispiel wäre die Emission von SO2, die eine Versauerung von Böden und Gewässern bewirken kann und die z. B. durch Endof-Pipe-Maßnahmen bei Kraftwerken reduziert wird. Wie unschwer zu erkennen ist, basiert das Modell auf einem reaktivem Grundmuster, das mehr zur Behandlung als zur Vorbeugung geeignet ist und deshalb dem Vorsorgeprinzip widerspricht. Außerdem tendiert es zu unzulässigen Vereinfachungen, welche die komplexen Wechselwirkungen zwischen Technosphäre und Umwelt falsch abbilden. Die aktuelle Entwicklung von Indikatoren dagegen zielt darauf ab, neben den reaktiv ausgerichteten Indikatoren auch vorsorgeorientierte, proaktiv ausgerichtete Indikatoren miteinzubeziehen. Der erste ernsthafte Versuch, eine nachhaltige Entwicklung quantitativ zu definieren, wurde in den Niederlanden mit dem Aktionsplan „Sustainable Netherlands“ unternommen. Der „Umweltraum pro Mensch“ im Jahre 2010 wird dabei mit dem Umweltverbrauch eines Niederländers in der Gegenwart in Relation gesetzt, um konkrete Umweltziele abzuleiten. Damit soll das Ziel der intergenerativen Gerechtigkeit (normatives Kriterium) erreicht werden, d. h. die Nutzungsrechte an der Umwelt sollen in jeder Generation gleich verteilt sein. Der Umweltraum wird dabei definiert als die Menge an Energie, nicht erneuerbarer Rohstoffe, Wasser, Holz und landwirtschaftliche Flächen, die wir dauerhaft nutzen können. Das Jahr 2010 wird als Zieljahr zum Erreichen eines nachhaltigen Niveaus im Rahmen des Aktionsplans angepeilt. Eine erhebliche Reduzierung des Naturkonsums der Niederländer ist Voraussetzung dafür. Die 1996 erschienene Studie „Zukunftsfähiges Deutschland - Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung“ des Wuppertal Instituts, die vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und Misereor in Auftrag gegeben wurde, formuliert auch für Deutschland entsprechende Umweltziele. Zur Entstehungsgeschichte des Projektes ist zu sagen, daß der BUND eine Anleihe bei den Niederländern gemacht hat. Wesentlich bei der Studie ist die Formulierung der Umweltziele in einem dualistischen Ansatz. In komplementärer Weise wurden dabei zum einen an spezifischen Umweltproblemen eher nachsorgend orientierte Minderungsziele einbezogen und zum anderen allgemeine vorsorgeorientierte Ziele formuliert. Die vorsorgeorientierten Ziele haben die Parameter Energieverbrauch, Materialverbrauch und Flächenbelegung zur Grundlage. Eine Reduzierung des Energie- und Materialverbrauchs um durchschnittlich 80% bis 90% bzw. um einen Faktor 5 bis 10 wird als längerfristiges Ziel verfolgt. Die Höhe der Zielsetzungen kann durchaus für utopisch gehalten werden, hält man sich den kurzen zeitlichen Handlungsspielraum vor Augen. Es scheint notwendig zu sein, sowohl einen Handlungsrahmen auf politischer Ebene vorzugeben als auch einen grundlegenden gesellschaftlichen Wertewandel einzuleiten. Neben der Strategie des Wuppertal-Instituts („Zukunftsfähiges Deutschland“) zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung existieren noch diverse andere Ansätze: die Studie „Nachhaltiges Deutschland“ des Umweltbundesamtes, die Gutachten „Für eine dauerhafte-umweltgerechte Entwicklung” und „Zur Umsetzung einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung“ des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, der Zwischenbericht „Konzept Nachhaltigkeit - Fundamente für die Gesellschaft von morgen“ sowie der Abschlußbericht „Konzept Nachhaltigkeit - Vom Leitbild zur Umsetzung“ der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“ des 13. Deutschen Bundestages, die Initiative „Schritte zur Nachhaltigkeit“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und schließlich der „National Environmental Policy Plan (NEPP)“ der Niederlande. 4.3. Grundlegende Operationalisierungsprobleme Die Ausführungen bezüglich der Schwierigkeiten bei der Operationalisierung beschränken sich auf das Herausstellen zweier grundlegender Probleme. Es handelt sich dabei erstens um die Problematik bzw. Möglichkeit der gleichberechtigten und integrativen Berücksichtigung der drei Dimensionen und zweitens um die Schwierigkeiten resultierend aus dem Postulat der intergenerativen Gerechtigkeit. Immer wieder wird in der Literatur die notwendige Gleichbehandlung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension gefordert, wenn es um den Inhalt einer nachhaltigen Entwicklung geht. Daß dieser formale Konsens jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten im Zuge der Operationalisierung des Leitbildes verbunden ist, läßt sich schon allein an der Tatsache erkennen, daß erstmals im Jahre 1998 durch den Abschlußbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ ökonomische und soziale Regeln in einem ersten Operationalisierungsschritt formuliert wurden. Bis dahin wurde der Schwerpunkt der Operationalisierungsbemühungen auf den ökologischen Aspekt gelegt. Die Zukunft wird zeigen, inwieweit diese vor allem als Anstoß für eine notwendige Debatte in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gedachten Regeln in weiteren Operationalisierungsschritten konkretisiert werden, um der geforderten Gleichbehandlung der drei Bereiche bei der Operationalisierung einer nachhaltigen Entwicklung gerecht zu werden. Das wohl schwierigste Problem ist im integrativen Lösungsansatz zu sehen, da die innerhalb fachdisziplinärer Grenzen wissenschaftlich bisher ungelöste - und vielleicht auch unlösbare - Aufgabe einer integrativen Zusammenschau der Wertsysteme und Zeitdimensionen von Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft ihrem Wesen nach eben nicht gleichzuschalten sind. Folglich ist die zeitliche und quantitative Umschreibung eines Endzustandes nachhaltiger Entwicklung aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Perspektive unmöglich. Das soll jedoch dem Lernen der einzelnen Bereiche in einem interdisziplinären Diskurs, im Idealfall ein auf Gegenseitigkeit beruhender Prozeß, nicht entgegenstehen, da ein Austausch und ein Aufeinanderzugehen der diversen Wissenschaften für die Konkretisierung des Leitbildes unabdingbar sind. Das Ziel einer Operationalisierung der nachhaltigen Entwicklung sollte sein, einen Mittelweg zwischen quantitativen und qualitativen Zielformulierungen zu finden, die auf der einen Seite einem dynamischen, offenen Entwicklungsprozeß nicht entgegenstehen und auf der anderen Seite die notwendige Bestimmtheit und Eindeutigkeit besitzen, die für eine Operationalisierung des Leitbildes vor allem im ökologischen Bereich von großer Wichtigkeit sind. Die Gerechtigkeit zwischen der heutigen und den künftigen Generationen wird besonders in der Definition der Brundtland-Kommission für nachhaltige Entwicklung betont. Zum heutigen Zeitpunkt kann nicht festgestellt werden, welche Bedürfnisse künftige Generationen besitzen und welche Produktionsmöglichkeiten ihnen zur Befriedigung dieser Bedürfnisse zur Verfügung stehen werden. Aus diesem Grund herrscht große Uneinigkeit, wie oder ob überhaupt dieser Aspekt bei der Operationalisierung miteinbezogen werden soll bzw. kann. Denn in diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob die heutige Generation für die künftige Generation eine Verantwortung trägt. Wird diese Frage bejaht, so wäre der noch verbleibende Handlungsspielraum der heute lebenden Menschen bei den nicht erneuerbaren Ressourcen stark reduziert, angesichts der Prognosen, die einen Anstieg der Weltbevölkerung in etwa dreißig Jahren auf fast zehn Milliarden Menschen vorhersagen. Wird die notwendige Einschränkung bei den nicht erneuerbaren Ressourcen genauer hinterfragt, so steht man vor weiteren Operationalisierungsproblemen, da umstritten ist, inwieweit eine Substitution nicht erneuerbarer Ressourcen durch erneuerbare Ressourcen möglich ist. Wird von einer unvollkommenen Substitutionalität der nicht erneuerbaren Ressourcen ausgegangen, so kann die Frage, mit welcher Rate die nicht regenerierbaren Ressourcen abgebaut werden sollen, unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit prinzipiell nicht beantwortet werden. Denn werden sie abgebaut, so gehen sie für nachfolgende Generationen verloren. Werden sie dagegen nicht abgebaut, hätte niemand einen Nutzen, weder die heutigen noch die zukünftigen Generationen, da sich ja auch die Nachfahren an das Abbauverbot halten müßten. Inwieweit eine zirkuläre Ökonomie und technologischer Fortschritt einen Ausweg aus dieser Dilemmasituation zeigen können, muß abgewartet werden. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer prinzipieller methodischer Probleme, die bei der Operationalisierung des Sustainability-Konzepts gelöst werden müssen (z. B. in Bezug auf die Tragekapazität der Umwelt). Weiterführende Literatur: Bartmann, H.: Umweltökonomie. Ökologische Ökonomie, Stuttgart 1996; Daly, H. E.: Wirtschaft jenseits von Wachstum, Salzburg/ München 1999; Georgescu-Roegen, N.: The Entropy Law and the Economic Process, Cambridge 1971; Hampicke, U.: Ökologische Ökonomie. Individuum und Natur in der Neoklassik, Opladen 1992; v. Knorring, E.: Das Umweltproblem als Extemalität. Ökonomische Ökologie oder ökologische Ökonomie? in: Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht, Nr. 4; Pearce, D. W./ Turner, R. K.: The Economics of Natural Res-sources and the Environment, London 1990; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen. Umweltgutachten 1994/1996, Stuttgart 1994/1996.



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