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Geldgeschichte IV - Von der bürgerlichen und der industriellen Revolution zur Reichseinigung 1871

Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert verlagern sich die Schwerpunkte des europäischen Finanzwesens vom Kontinent weg nach England. London wird zum führenden europäischen Finanzzentrum, was es bis heute geblieben ist; so steht die City of London heute synonym für Geldgeschäfte.

Im 17. Jahrhundert wird England zu einer der wichtigsten Handelsnationen. Der Außenhandel verzehnfacht sich in den dreißig Jahren zwischen 1610 und 1640, und die Englisch-Ostindische Kompagnie streicht riesige Profite ein. Im Zentrum der Handelstätigkeit stehen die Kolonien. Der Merkantilismus treibt seine Blüten, ist allerdings in der Öffentlichkeit umstritten. Neben dem Handel blüht auch die Industrie auf, soweit man diesen Begriff für die damalige Zeit schon verwenden kann. Die industrielle Revolution kündigte sich an und damit ein erhöhter Kapitalbedarf des produzierenden Gewerbes. Auch im Agrarbe-reich setzten sich in England früher als im übrigen Europa Konzentration und Kommerzialisierung durch. Die beiden politischen Revolutionen des 17. Jahrhunderts, die Revolution des Oliver Cromwell und die Revolution von 1688, , taten ein Übriges, um die Entwicklung auf der Insel voranzutreiben.

1694 wird als Aktiengesellschaft die Bank of England gegründet mit dem Zweck, dem englischen König eine Anleihe von 1,2 Millionen Pfund Sterling zu gewähren, Geld, das zum Kriegführen gebraucht wurde. Finanziert wurde die Anleihe durch Ausgabe von Schuldscheinen, die auch als Zahlungsmittel dienten und gehandelt werden konnten. Die Bank oft England begibt jedoch nicht nur Staatsanleihen. Sie diskontiert Wechsel, führt Geldüberweisungen durch, handelt mit Edelmetallen und emittiert Banknoten.

Papiergeld gibt es in Europa seit 1661. Wegen einer Verknappung der Silbermünzen gibt Schweden das erste »Zettelgeld« heraus, die Credityf-Zedels. Die ersten Banknoten der europäischen Währungsgeschichte sind Vordrucke. Der Wert der Note und auch die Währung müssen von Hand eingetragen werden.

1716 folgt Frankreich bei der Einführung des Papiergeldes, übrigens auf die Initiative eines Schotten hin (John Law). Es wird sogar als Aktiengesellschaft eine Notenbank gebildet, die Banque Generale. Aufgrund von unkontrollierten Spekulationen, an denen Mr. Law nicht unbeteiligt war, bricht die Bank bereits 1721 wieder zusammen.

Zurück zur Bank von England: Ihre Bedeutung besteht in Zweierlei. Zum ersten wurde von der Bank die Bindung des Pfund Sterling an die Goldwährung betrieben, zum zweiten begann sich mit den von ihr ausgegebenen Banknoten das Papiergeld international durchzusetzen. Insofern waren die Gründung und die Tätigkeit der Bank of England wichtige Schritte auf dem Weg zu einem künftigen Welt Währungssystem.

Zwei Jahre nach der Gründung der Bank, also im Jahre 1696, hatte ein John Argill eine wichtige Idee. Er plante ein Papiergeld, das nicht durch Edelmetalle abgesichert sein sollte, sondern durch Grund und Boden. Solches Geld gab es später tatsächlich: in Form der französischen Assignaten.

Das deutsche Münzwesen des 17./18. Jahrhunderts war nach wie vor zerrüttet. Der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648) war nicht der einzige Krieg dieser Zeit, ihm folgte eine Unzahl weiterer Kriege: mehrere Türkenkriege, der Pfälzische Krieg (1688 bis 1697), der Spanische Erbfolgekrieg (1701 bis 1714), der Nordische Krieg (1700 bis 1721), der Österreichische Erbfolgekrieg (1740 bis 1748), die Schlesischen Kriege und der Siebenjährige Krieg (und noch einige Kriege mehr). Desolat war das Münzwesen überall und so auch in Brandenburg-Preußen. Es war Zeit für eine Münzreform. Unter Friedrich II. (1740 bis 1786) wurde sie durchgeführt.

Im Jahre 1750 erhält der preußische Generalmünzmeister Johann Philipp Graumann vom König den Auftrag, das Münzsystem im Herrschaftsbereich Friedrichs des Großen zu reformieren. Als Münzfuß für Preußen wird der Graumannsche Fuß eingeführt. Nach dieser Norm werden vierzehn neue Taler aus der Kölnischen Mark zu 234 Gramm Feinsilber geprägt. Entsprechend den Vorstellungen Friedrichs II., auch in Währungsfragen eine preußische Dominanz durchzusetzen, wird dieser Taler zum Reichstaler erklärt. Er zählt zu 24 Groschen und jeder Groschen wiederum zu 12 Pfennige. Der Graumannsche Münzfuß wird im 19. Jahrhundert der entscheidende Münzfuß Deutschlands. Ansonsten jedoch erfüllen sich die Hoffnungen, die der preußische König in die Wiener Stadt Banco Zettel zu 500 Gulden (Wien, 1806)

Reform gesetzt hat, nicht. Da Brandenburg selbst nicht über Silbervorkommen verfügte, wurde J. P. Graumann angehalten, Silber außerhalb Preußens zu beschaffen. Dies gelang ihm nicht. Die Gewinne, die sich Friedrich der Große von seiner Reform und dem Reichstaler versprochen hatte, trafen nicht ein.

Von 1756 bis 1763 tobte der Siebenjährige Krieg. Noch während des Krieges, im Jahre 1759, emittiert die 1706 gegründete Wiener Stadt-Banco das erste Papiergeld der deutschen Länder. Sechs Jahre später, also 1765, erläßt der Preußenkönig sein »Edikt und Reglement der Königlichen Giro- und Lehn-Banco«, die zur ersten Notenbank Deutschlands wird und mit dem »Banco-Pfund« eine Banknote herausgibt. Behutsame erste Schritte zum bargeldlosen Zahlungsverkehr in den deutschen Ländern sind mit dieser Bankgründung ebenfalls verbunden.

Allerdings war das Papiergeld, auch Zettelgeld genannt, keineswegs unumstritten. Daß ein Zettel ohne Wert Geld repräsentieren sollte, hielten viele Menschen für Aberglauben bzw. Hexerei. Ein beredtes Zeugnis für die Ablehnung der Banknoten findet sich noch bei Johann Wolfgang Goethe, der seinerseits das Gold den Zetteln unbedingt vorzog; so soll er 1000 Taler in Gold als Honorar für »Hermann und Dorothea« verlangt und auch bekommen haben.

In seinem Hauptwerk »Faust« setzt sich Goethe in der Tragödie Zweitem Teil auch mit der Einführung des Papiergeldes auseinander. In der Thronsaalszene (Erster Akt, Kaiserliche Pfalz) beklagen die Würdenträger des Reiches die desolate finanzielle Situation mit leerer Staatskasse und Inflation.

SCHATZMEISTER: (...)

Die Goldespforten sind verrammelt,

Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt,

Und unsre Kassen bleiben leer. MARSCHALK: Welch Unheil muß auch ich erfahren;

Wir wollen alle Tage sparen

Und brauchen alle Tage mehr.

Und täglich wächst mir neue Pein.

(...)

Nun soll ich zahlen, alle lohnen;

Der Jude wird mich nicht verschonen,

Der schafft Antizipationen.

Die Schweine kommen nicht zu Fette,

Verpfändet ist der Pfühl im Bette,

Und auf den Tisch kommt vergessen Brot.

(Nach den mittelalterlichen Ständeordnungen und Zunfigesetzen waren Juden von den sogenannten ehrlichen Berufen ausgeschlossen. Nur Geldgeschäfte -Wechseln, Verleih - waren ihnen erlaubt. Zahlreiche Fürsten standen bei den jüdischen Bankiers mit hohen Beträgen in der Kreide. Antizipation meint hier einen Vorschuß gegen Pfand.)

MEPHISTOPHELES: Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt? Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld. Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen; Doch Weisheit weiß das tiefste herzuschaffen. In Bergesadern, Mauergründen Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden, Und fragt ihr mich, wer es zutage schafft: Begabten Manns Natur- und Geisteskraft.

Der Kanzler wirft Mephisto Ketzerei vor, woraufhin dieser ihn mit kaum verborgener Ironie zurechtweist. Nur Münzgeld, so lautet Mephistos Botschaft, gilt den beschränkten Geistern als »echtes, reales« Geld. Doch Mephisto verfolgt längst ein anderes Projekt.

MEPHISTOPHELES: Daran erkenn ich den gelehrten Herrn!

Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,

Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar,

Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,

Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht,

Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.

KAISER: Dadurch sind unsere Mängel nicht erledigt,

Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?

Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;

Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn.

MEPHISTOPHELES:

Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr;

Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;

Es liegt schon da, doch um es zu erlangen,

Das ist die Kunst, wer weiß es anzufangen?

Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften,

Wo Menschenfluten Land und Volk ersäuften,

Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,

Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte.

So war’s von je in mächtiger Römer Zeit,

Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.

Das alles liegt im Boden still begraben,

Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.

SCHATZMEISTER:

Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht,

Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht.

KANZLER: Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen:

Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.

MARSCHALK: Schafft er uns nur zu Hof willkommne Gaben,

Ich wollte gern ein bißchen Unrecht haben. Mephistopheles hat nicht zu viel versprochen. Am kommenden Morgen (Szene: Lustgarten) sind alle finanziellen Probleme gelöst.

MARSCHALK tritt eilig auf

Durchlauchtigster, ich dacht in meinem Leben

Vom schönsten Glück Verkündung nicht zu geben

Als diese, die mich hoch beglückt,

In deiner Gegenwart entzückt:

Rechnung auf Rechnung ist berichtigt,

Die Wucherklauen sind beschwichtigt,

Los bin ich solcher Höllenpein;

Im Himmel kann’s nicht heitrer sein. HEERMEISTER folgt eilig:

Abschläglich ist der Sold entrichtet,

Das ganze Heer aufs neu verpflichtet,

Der Lanzknecht fühlt sich frisches Blut,

Und Wirt und Dirnen haben’s gut.

KAISER: Wie atmet eure Brust erweitert!

Das faltige Gesicht erheitert!

Wie eilig tretet ihr heran!

SCHATZMEISTER der sich einfindet:

Befrage diese, die das Werk getan.

FAUST: Dem Kanzler ziemt’s, die Sache vorzutragen.

KANZLER der langsam herankommt:

Beglückt genug in meinen alten Tagen. -

So hört und schaut das schicksalschwere Blatt,

Das alles Weh in Wohl verwandelt hat.

Er liest: »Zu wissen sei es jedem, der’s begehrt:

Der Zettel hier ist tausend Kronen wert.

Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand,

Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland.

Nun ist gesorgt, damit der reiche Schatz,

Sogleich gehoben, diene zum Ersatz.«

KAISER: Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug!

Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug?

Ist solch Verbrechen ungestraft geblieben?

SCHATZMEISTER: Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben;

Erst heute nacht. Du standst als großer Pan,

Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran:

»Gewähre dir das hohe Festvergnügen,

Des Volkes Heil, mit wenig Federzügen.«

Du zogst sie rein, dann ward’s in dieser Nacht

Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht.

Damit die Wohltat allen gleich gedeihe,

So stempelten wir gleich die ganze Reihe:

Zehn, Dreißig, Fünfzig, Hundert sind parat.

Dir denkt euch nicht, wie wohl’s dem Volke tat.

Seht eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt,

Wie alles lebt und lustgenießend wimmelt!

Obschon dein Name längst die Welt beglückt,

Man hat ihn nie so freundlich angeblickt.

Das Alphabet ist nun erst überzählig,

In diesem Zeichen wird nun jeder selig.

KAISER: Und meinen Leuten gilt’s für gutes Gold?

Dem Heer, dem Hofe gnügt’s zu vollem Sold?

Sosehr mich’s wundert, muß ich’s gelten lassen.

MARSCHALK:

Unmöglich wär’s, die Flüchtigen einzufassen;

Mit Blitzeswink zerstreute sich’s im Lauf.

Die Wechslerbänke stehen sperrig auf,

Man honoriert daselbst ein jedes Blatt

Durch Gold und Silber, freilich mit Rabatt.

Nun geht’s von da zum Fleischer, Bäcker, Schenken;

Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken,

Wenn sich die andre neu in Kleidern bläht.

Der Krämer schneidet aus, der Schneider näht.

Bei »Hoch dem Kaiser!« sprudelt’s in den Kellern,

Dort kocht’s und brät’s und klappert mit den Tellern.

(...) MEPHISTOPHELES: Ein solches Papier, an Gold und Perlen Statt, Ist so bequem, man weiß doch, was man hat, Man braucht nicht erst zu markten noch zu tauschen, Kann sich nach Lust in Lieb und Wein berauschen; Will man Metall, ein Wechsler ist bereit, Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.

Pokal und Kette wird verauktioniert, Und das Papier, sogleich amortisiert, Beschämt den Zweifler, der uns frech verhöhnt. Man will nichts anders, ist daran gewöhnt. So bleibt von nun an allen Kaiserlanden An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.

Mephisto also ist es, der böse Schelm, der das Papiergeld schafft. Er hat dem Kaiser während des Mummenschanzes (in der Szene zuvor: Weitläufiger Saal) eine Unterschrift abgeluchst und dann flugs in einer Nacht- und Nebelaktion tausende Scheine drucken lassen. Die Sicherheit für das Papiergeld sind die im Boden vergrabenen Schätze. Alles deutet daraufhin, daß Mephistopheles’ Projekt ein Koloß auf tönernen Füßen ist. Das Papiergeld also ist Blendwerk, eine Manipulation des Satans.

Daß Goeme, wie er selbst mehrfach äußerte, nur ein »geringes Vertrauen zum Papiergelde« hatte, dafür gibt es allerdings Gründe, die in Erfahrungen aus der damaligen Zeit liegen. Der schon erwähnte schottische Bankier und Geldtheoretiker John Law hatte durch die Ausgabe ungedeckten Papiergeldes 1721 in Frankreich eine schwere Wirtschafts- und Staatskrise ausgelöst. Doch war es wohl vor allem die Geldpolitik während der Französischen Revolution, die Goethe abgeschreckt hatte.

Auf die während der Revolution beschlagnahmten Ländereien der Kirche, der Krone und der adligen Emigranten werden verzinsliche Staatspapiere ausgegeben, die sogenannten Assignaten. Die Idee des Engländers John Argill, Papiergeld nicht durch Metalle zu decken, sondern durch Grund und Boden, fand hier ihre Realisation, denn 1790 wurden die Assiganten gesetzliches Zahlungsmittel an Stelle der Zahlungsmittel aus Edelmetall. Mit verheerenden Folgen, denn die Entwicklung in der Folgezeit verhinderte den geplanten Verkauf der Güter, und damit waren die Assignaten ungedeckt. Am 19. Februar 1796 werden sie nach einer Hyperinflation wieder abgeschafft.

Noch ein anderer »Zettel« entsteht im 18. Jahrhundert: der Pfandbrief. Im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) sind viele Ländereien Preußens verwüstet worden, und der landbesitzende Adel befindet sich in heftigen finanziellen Engpässen. Friedrich der Große erläßt daher im Jahre 1769 eine »Cabinets-Ordre«, deren Sinn und Zweck es ist, die Kreditnot leidenden Adligen mit Geldmitteln auszustatten und damit die wüsten Ländereien neu zu beleben. Der königliche Erlaß bewirkt ab 1770 die Bildung sogenannter Landschaften in den Provinzen des preußischen Staates. Diese Landschaften, öffentlich-rechtliche Zwangsvereinigungen der Großgrundbesitzer, vergaben an ihre Mitglieder Kredite, die sie mittels Schuldverschreibungen refinanzierten. Der Gläubiger erwarb mit den emittierten Papieren ein Pfandrecht an einem der verpfändeten Güter, und zwar ein unmittelbares. Der Pfandbrief, wie er heute vor allem von den Hypothekenbanken ausgegeben wird, war damit entstanden und breitete sich rasch in ganz Europa aus. Von der Herkunft der Hypothekenbanken aus den Landschaften jener Zeit legt heute noch der Name der Schleswig-Holsteinischen Landschaft Hypothekenbank AG (Kiel) Zeugnis ab.

Der zweite entscheidende Anstoß für die Entwicklung des Pfandbriefs heutiger Gestalt ging von den außerhalb Preußens gegründeten Landschaften aus. Diese Kreditvereinigungen gaben Pfandbriefe aus, für die alle von der Landschaft beliehenen Grundstücke gemeinsam hafteten.

Nach wie vor wurden die Darlehen der Landschaften nicht in bar ausgezahlt, sondern der Kreditnehmer erhielt Pfandbriefe. Um deren Unterbringung mußte er sich selbst bemühen. Diese Art der Kredite nannte man Naturadarlehen. Dieses System wurde Ende des 19. Jahrhunderts auch auf die Refinanzierung von Staatskrediten (Kredite an öffentliche Schuldner oder von öffentlichen Körperschaften und Institutionen verbürgte Kredite) angewendet.

1778 ist das Jahr, in dem die erste deutsche Sparkasse entsteht, und zwar in Hamburg. Die Ersparungskasse der Allgemeinen Versorgungsanstalt, so der Name, soll vor allem den sozial Schwachen die Möglichkeit verschaffen, ihre Ersparnisse gegen Zinsen anzulegen. Entwickelt wurde die Sparkassenidee in Frankreich von Hugues Delestre und in England von Daniel Defoe, heute eher als Schöpfer des »Robinson Crusoe« weltbekannt. Realisiert wurde diese Idee zuerst im Norden Deutschlands von privaten Einrichtungen, in Hamburg beispielsweise von der Patriotischen Gesellschaft. Oldenburg und Kiel folgten dem Beispiel. Am 22. Juni 1801 eröffnete in der ehemaligen Küche des alten Göttinger Rathauses eine Sparkasse, deren Gründung nicht auf private Initiatoren zurückging, sondern auf das Handeln einer öffentlichen Körperschaft. Die Städtische Sparkasse Göttingen war damit die erste kommunale und daher auch erste öffentlich-rechtliche Sparkasse Deutschlands.

Am 2. April 1792 wird in den Vereinigten Staaten von Amerika ein Münzgesetz verabschiedet. Das Gesetz bestimmt den Dollar zur Einheitswährung und führt eine Teilungswährung auf der Basis des Dezimalsystems ein. Ein Dollar zählt danach 100 Cents. Zehn Cents bilden einen Dime, also besteht der Dollar aus zehn Dimes. Die Münzstätte wird in Philadelphia eingerichtet, der Stadt der Unabhängigkeitserklärung. Erst ab 1838 kommen weitere Münzstätten hinzu.

Nach dem Wiener Kongreß entsteht im Jahre 1815 der Deutsche Bund, eine lockere Vereinigung der 35 souveränen Fürstentümer und vier Freien Reichsstädte. Die Territorialherren üben weiterhin das Münzrecht aus, das deutsche Münzwesen bleibt also wie gehabt zersplittert, nur daß jetzt zu den diversen Münzsorten nun auch noch viele verschiedene Banknoten hinzutreten. Das deutsche Geldchaos wird bis 1871 anhalten. 1821 schlägt der bekannte preußische Reformer Freiherr vom Stein in einer finanzpolitischen Denkschrift zumindest für die preußischen Lande die Einführung des Dezimalsystems vor, scheitert mit seinem Vorschlag jedoch. Andere Staaten stellen allerdings auf das Dezimalsystem um, angeführt 1832 von Belgien.

Die Zoll- und Münzhoheit der Länder des Deutschen Bundes erwies sich nicht nur als Handelshemmnis, sie boykottierte auch die gesamte wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Sie abzuschaffen, war ein Gebot der Stunde, allerdings hüteten die Territorialherren eifersüchtig ihre Rechte. Ein erster Sargnagel war die preußische Münzreform von 1821. Die im Gefolge des Wiener Kongresses Preußen zugefallenen Ländereien waren teilweise noch durch Zollgrenzen voneinander geschieden; diese Grenzen hob die preußische Regierung 1818 auf. Am 30. September 1821 wird dann das Gesetz über die Münzverfassung der Preußischen Staaten erlassen. Der Reichtstaler heißt von nun an preußischer Taler, und während der Graumannsche Vierzehntalerfuß erhalten bleibt, ändert man die Münzteilung: Der preußische Taler besteht aus 30 Silbergroschen, der Groschen rechnet zu 12 Pfennig. Es wurde die Münzprägetechnik verbessert, und der Beruf des Münzmeisters wurde abgeschafft. Moderne Berufsbeamte waren es jetzt, die die Münzstätten leiteten.

Am 1. Januar 1834 wurde auf der Grundlage des Zollvereinsvertrages von 1833 der Deutsche Zollverein gebildet, dem von den südlichen Staaten des Deutschen Bundes Österreich nicht angehörte, von den nördlichen Bundesstaaten fehlten Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Holstein, Lauenburg, Mecklenburg sowie die Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen.

Weitere Schritte auf dem Weg zu einer einheitlichen deutschen Währung sind der Münchner Münzvertrag von 1837 und die Dresdner Münzkonvention von 1838. Mit dem Münchner Münzvertrag entsteht eine Münzgemeinschaft in Süddeutschland, die sich auf einen einheitlichen Münzfuß einigt. Als gemeinsame Münze wird der Gulden vereinbart, während im Norden der Taler dominiert. In der Dresdner Münzkonvention beschließt der Deutsche Zollverein schließlich die Festschreibung der beiden Währungsgebiete. Norddeutschland ist Talerzone, Süddeutschland ist Guldenzone. Die Währungsverhältnisse innerhalb des Deutschen Bundes wurden auf diese Weise wesentlich vereinfacht. Sachsens Initiative zur Einführung eines Münzsystems auf dezimaler Basis scheitert am Widerstand Preußens.

Nach dem Vorbild der 1619 eröffneten Hamburger Bank hatten sich in der Folgezeit etliche Nachahmer gefunden, etwa in Nürnberg, Berlin oder Breslau. Der hier praktizierte bargeldlose Zahlungsverkehr blieb allerdings immer nur auf ein Institut beschränkt. Das änderte sich 1823 mit Gründung des Berliner Kassenvereins. Der Verein hatte zehn Unternehmen als Mitglieder, zwischen denen satzungsgemäß »Zahlungen in barem Gelde aus einer Hand in die andere entbehrlich gemacht werden« konnten. Noch immer jedoch bleibt auch ietzt die Beschränkung des Giroverkehrs auf einen Ort erhalten. (Das ändert sich erst 1876 mit der Einführung des Giroverkehrs durch die Reichsbank.)

Der Richter Hermann Schulze-Delitzsch (1808-1883), Abgeordneter der Preußischen Nationalversammlung, gründete 1850 in Delitzsch den Eilenburger Vorschußverein. Daraus entstanden später die Volksbanken. Schulze-Delitzsch ließ sich bei seinen Unternehmungen von der Einsicht leiten, daß die Industrialisierung in Deutschland erhebliche Gefahren für die kleineren Gewerbetreibenden heraufbeschwor. Den Handwerkern und gewerblichen Klein- bis Mittelbetrieben fehlten die finanziellen Mittel, um im Konkurrenzkampf mit der aufkommenden Großindustrie mithalten zu können. Die Bildung von Genossenschaften erschien hier als Ausweg aus der bedrohlichen Situation. So wie Raiffeisen im ländlich-agrarischen Bereich Genossenschaften bildete, tat dies auch Schulze-Delitzsch im gewerblichen Sektor, beginnend 1849 mit der Gründung der Schuhmachergenossenschaft in Delitzsch. 1855 dann führt Schulze-Delitzsch für die genossenschaftlichen Vorschuß- und Kreditvereine den Begriff der Volksbanken ein. Die Idee der Vorschuß- und Kreditvereine bestand darin, daß alle Mitglieder, die reichen und die armen, gemeinsam in die Genossenschaft einzahlen und damit einen Kapitalgrundstock schaffen. Für Kredite haften alle Mitglieder. Von der strukturellen Seite beruhen die Vorschuß- und Kreditvereine und späteren Volksbanken auf dem Prinzip der Selbstverwaltung: Alle Mitglieder gemeinsam bestimmen die Genossenschaftspolitik.

Auf diesen Prinzipien beruht auch der 1864 von Friedrich Wilhelm Raiffeisen gegründete Heddesdorfer Darlehenskassen-Verein, Urmodell der späteren Raiffeisenbanken, die wie die Volksbanken ebenfalls Genossenschaftsbanken sind. Auch bei Raiffeisen und seinen Gründungen gilt das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe. Jeder Kreditnehmer muß Mitglied des Vereins bzw. der Genossenschaft sein. Alle Vereinsmitglieder, dann Genossen, haften unbeschränkt für die Darlehen. Durch einen Beschluß des Frankfurter Senats vom 8. Dezember 1862 wird als erste deutsche Hypothekenbank in Frankfurt am Main die Frankfurter Hypothekenbank gegründet. Dieser ersten folgen rasch etliche weitere Gründungen in fast allen Staaten des Deutschen Bundes. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts existieren dann vierzig Hypothekenbanken in Deutschland. Ihre Hauptaufgabe war von Anfang an die Finanzierung von Immobilien (Wohnungsbau als auch Gewerbe-Immobilien), wobei ihnen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das rasante Wachstum der Städte als Folge der forcierten Industrialisierung sehr zugute kam.

International waren die Jahre von der Jahrhundertmitte an unter anderem durch den Goldrausch in Kalifornien gekennzeichnet. Das Goldfieber zieht nicht nur zahllose Abenteurer nach den USA, es hat auch Auswirkungen auf den Edelmetallhandel. Der Wert des Goldes gegenüber dem Silber verringert sich. Diese Verringerung ist zwar nicht übermäßig dramatisch, aber führt dazu, dass in Ländern mit einer Doppelwährung (Silber und Gold) das Silber zunehmend durch das Gold verdrängt wird. Der Mangel an Silbergeld hatte vor allem in Frankreich und einigen seiner Nachbarländer erhebliche Schwierigkeiten zur Folge, so daß Frankreich, Belgien, Italien und die Schweiz im Jahre 1865 die Lateinische Münzunion gründeten.

Im nachrevolutionären Deutschland (nach 1848) gibt es einen regelrechten Papiergeldboom. Das hat zur Folge, daß zum Ende der 50er Jahre mehr als dreißig deutsche Notenbanken aktiv sind. Bis Mitte der 60er Jahre verdoppelt sich die Zahl der Notenbanken sogar noch.

In jener Zeit wurde Geld vor allem per Brief verschickt. 1865 dann gibt es die erste Postanweisung. Im Jahre 1870 stellte sich die Situation in Deutschland folgendermaßen dar: Es gab noch immer fünf Münzsysteme. In Nord- und Mitteldeutschland galt die Talerwährung, in Süddeutschland die Guldenwährung. Hamburg und Lübeck benutzten die lübische Mark, außerdem existierten die von der Hamburger Bank herausgegebene Banco-Währung und eine spezielle Währung in Bremen, die Pistolen (Goldtaler). Nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg, der Kaiserproklamation Wilhelms I. von Preußen am 18. Januar 1871 im Spielsaal von Versailles und der Gründung des Deutschen Reiches änderte sich das deutsche Geldwesen endgültig.

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